Die Evolution der Formen des menschlichen Zusammenlebens

 

Die Rubrik Philosophie befindet sich im Zustand einer neu eröffneten Baustelle. Die Arbeiten werden sporadisch fortgesetzt, wann immer der mentale Kampf gegen den irrationalen, selbstmörderichen Militarismus mal nicht den vollen Krafteinsatz für die Erstellung entsprechender Blog-Artikel erfordert.

 

Bausteine entwickeln und zusammenfügen

Man muss das Rad nicht neu erfinden. Diese Spruchweisheit hat in dem technischen Bereich, dem sie entstammt, ihre sehr konkrete Bedeutung, indem heutigen Erfindern und Ingenieuren das Ideenmodul Rad zur Verfügung steht, das sie in immer neuen Verwendungszwecken und Applikationsformen nutzen können.

Das Modulprinzip gilt ebenso für die Weiterentwicklung der Formen des menschlichen Zusammenlebens. Im Laufe der Geschichte haben sich viele Gesellschaftsmodelle entwickelt, die man u. a. in demokratische und autokratische einteilen kann. Und es sind viele Einzelüberlegungen angestellt worden, die als Vorschläge aufgefasst werden können, bestehende gesellschaftliche Zustände in bestimmte Richtungen zu verändern.

Manche solcher Überlegungen, wie man sie u. a. in Zitatesammlungen findet, sind Teile kompletter Philosophien. Diese Weltanschauungen stellen im Idealfall in sich logisch konsistente Gedankengebäude dar, deren Verankerung in der Wirklichkeit allerdings regelmäßig identifizierbare Defizite aufweist. Denn die fast unüberschaubare Komplextät dieser Realität erschwert einen griffigen Zugang erheblich.

Um zu verbesserten Philosophien zu gelangen, bedarf es sehr wohl noch einiger ergänzender neuer Einzelüberlegungen, aber prinzipiell bilden die schon vorliegenden eine riesige, sehr wertvolle Kollektion, die man nach dem Modulprinzip neu arrangieren kann. In diesem Sinne muss man auch in Geisteswissenschaften das Rad nicht neu erfinden, sondern nur in neuen Zusammenhängen einsetzen. 

So können neue Philosophien können unter Verwendung ganz überwiegend bereits vorliegender Gedankenbausteine entstehen. Von einem ausgereift erscheinenden Entwurf kann man zur praktischen Umsetzung iim gesellschaftlichen Zusammenleben übergehen. In der Praxis wird man dann auf Verbesserungsmöglichkeiten stoßen und diese in das Konzept einarbeiten.

Dieses grundsätzliche Zustandekommen von Philosophien, Weltbildern und generell Ansichten erklärt, weshalb sie im Regelfall ein Gemenge aus richtigen und falschen Elementen darstellen, bei denen nur die Anteile verschieden groß ausfallen.

Karl Marx war nicht umsonst deshalb einer der umstrittensten Philosophen aller Zeiten, weil er infolge eines ausgeprägten Egos extrem von der absolut korrekten Verankerung seines Gedankengebäudes in der Wirklichkeit überzeugt war. In der Umsetzung seiner Ideen sah er einen Heilsweg der Menschheit, sogar den historisch vorgegebenen und damit einzigen

Der Versuch, seine Ideen in die politische Wirklichkeit umzusetzen, hatte bekanntlich desaströse Folgen und kostete nach Schätzungen etwa 100 Millionen Menschenleben. Die Gründe sind vielfältig und reichen von der Finanzierung eines - also nach deren Interessen handverlesenen - Lenin durch westliche Geldaristokraten Referenz bis zum Ignorieren bereits gangbarer demokratischer und dadurch Revolutionen überflüssig machender Wege durch Marx.

Indem u. a. die psychologische Wissenschaft Marxsche Vorstellungen im Thema Privateigentum widerlegt, läuft der hier begonnene Gedankengang nicht auf die mitunter vertretene Auffassung hinaus, ein friedlich etablierter Marxismus - ohne die erheblichen Verfälschungen durch Lenin - wäre der historisch vorgegebene oder überhaupt der anzustrebende Weg. Psychologie und Soziologie weisen u. a. nach, dass das Bedürfnis, privates Eigentum zu entwickeln zum angeborenen Charakterprofil des Menschen gehört und auch mit massiven Gegenkonditionierungsversuchen kaum ganz ausradiert werden kann.

Funktionierende Marktwirtschaft kennt keine Ruinen, alles findet zum Marktpreis noch einen Verwender und eine Verwendung. Das gilt auch für geistige Gebäude wie die Marxsche Philosophie. Denn Marx' großes Ego basierte auf einer tatsächlich uberragenden Intelligenz, die der Welt einige äußerst nützliche Erkenntnisse beschert hat, ohne dass von diesen angemessener Gebrauch gemacht worden wäre.

Bevor auf diese selbst zurückzukommen ist, erscheint hier eine Zwischenüberlegung angebracht: Wieso eigentlich bleibt die Marxsche Philosophie nicht wenigstens als Sammlung teilweise richtiger, teilweise nicht richtiger Gedankenmodule für die Integration (oder ausdrückliche Nichtintegration) in neue weiterentwickelte Weltbilder in Gebrauch? Warum wird sie wie vor 150 Jahren als nicht spaltbarer dogmatischer Klotz präsentiert, den man nur entweder verehren oder ablehnen kann? - Eine der Antworten lautet, weil wir im Westen gar nicht in einer solchen noch ungestört funktionierenden Marktwirtschaft leben wie wir glauben - weder in einer ökonomischen noch in einer geistigen.

Denn geistige Marktwirtschaft bedeutet, dass sich einzelne Ideen und komplexe Konzepte auf einem freien Markt der Ideen entfalten können. Ein fairer Wettbewerb dieser Ideen setzt voraus, dass jede Form von Zensur unterbleibt. Schutz vor Zensur muss auch Schutz vor psychologischem Druck einschließen, sich bestimmten Ansichten anzuschließen. Die einzige Grenze authentischer Meinungsfreiheit liegt dort, wo Aufruf zu strafbaren Handlungen erfolgt, insbesondere zur Gewalt.

 

Die großen Fehler und Erkenntnisse des Karl Marx

Im Unterschied zum Autokraten Lenin hat der Freidenker Marx einige wertvolle Beiträge zu diesem freiheitlichen Umgang mit Ideen geliefert, wenn auch teilweise in unausgereifter, noch nicht anwendungsfertiger Form.

Eine seiner Erkenntnisse lautet, dass menschliche Geschichte Evolution darstellt. 

Mit den bekannten desaströsen Konsequenzen hat es Marx versäumt, aus dieser potenzielll wegweisenden Einsicht die Schlussfolgerung abzuleiten, dass geschichtliche Abläufe und politische Entscheidungen, die zu solchen führen, damit auch den Gesetzen der Evolution unterliegen.

Evolution bedeutet Anpassung an Herausforderungen der Umwelt, stets nach dem Muster Veränderung und Bewährungsprobe. Veränderungen gesellschaftlicher Zustände entsprechen biologischen Mutationen und wenn ein neues Gesellschaftsmodell unter Verwendung von Elementen anderer Modelle entsteht, dann entspricht das dem Faktor Rekombination bei der geschlechtlichen Fortpflanzung. Wenn sich das Modell (z. B. des sozialistisch-planwirtschaftliche) anschließend in der Rivalität mit anderen Modellen bewähren muss, dann entspricht das dem Evolutionsfaktor Selektion.


Für jeden, der sich die Welt nicht durch die Mainstream-Medien ‘erklären’ lässt, ist offenkundig, dass unsere zur Herrschaft der Oligopole verfälschte freiheitlich-demokratische Zivilisation auf dem augenblicklichen Kurs die Bewährungsprobe nicht bestehen kann, sondern auf seine Ablösung durch rivalisierende Modelle zusteuert.


Auch für ein solches Scheitern hatte Marx einen Erklärungsansatz, wenn auch keine komplett zu Ende gedachte Erklärung. Er sprach davon, dass im Falle von Wiederholungen in der Geschichte beim zweiten Mal eine Farce vorliegen würde. Die erweiterte Interpretation ist die: Wenn historische Fehler begangen werden und sich diese irgendwann wiederholen, dann ist das schon deshalb eine Farce, weil nicht aus der Vergangenheit gelernt wurde.


So steuern wir gegenwärtig auf den 3. Weltkrieg zu, weil aus zwei Weltkriegen nicht hinreichend gelernt wurde. Dieser wäre sogar der 6. große Europäische Bruderkrieg, denn dem 1. Weltkrieg ist der Krimkrieg (1853-1856) gegen Russland vorausgegangen, vor diesem gab es die Napoleonischen Kriege (1792-1815) und davor den 30-jährigen Krieg (1618-1648). Und wir erleben bereits den 5. Nahostkrieg.