Im Kapitel A 7. “Kapital II” wurde festgestellt, dass das Eigentum an Produktionsmitteln automatisch eine besondere gesellschaftliche Stellung und Verantwortung mit sich bringt. Eine solche Stellung ist unproblematisch, solange daraus keine politische Macht abgeleitet wird und solange sich die Investitionstätigkeit den marktwirtschaftlichen Regeln sowie ggf. einer übergeordneten demokratischen Kontrolle unterwirft. Der Kapitalismus behindert jedoch die Entfaltung dieser Verantwortung, indem das Machtmittel des Geldes die Marktregeln unterläuft. U.a. können im Oligopol auftretende Firmen Extra Profite einfahren, indem sie – oft in Kollaboration mit staatlichen Einrichtungen -- für eine Behinderung ihrer marktwirtschaftlichen Wettbewerber sorgen. Die Profitmaximierung abseits der Fairness gegenüber Mitmenschen findet zugleich abseits der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen und gegenüber der Natur statt. Indem ein Regelkreis aus Machtzuwachs durch Vermögenswachstum und Vermögenswachstum durch Machtzuwachs unterhalten wird, handelt es sich nicht etwa um einen tolerierbaren Schönheitsfehler des „westlichen“ Systems, sondern um ein die Fundamente der freiheitlichen Zivilisation untergraben des Antikonzept.
Die Fehlleitung produktiver Kräfte durch Investoren wird u.a. im Sektor Wohnungsbau deutlich, wo im Oligopol antretende große Baufirmen luxuriöse Appartement Türme hochziehen und die Wohnungen in diesem gestörten Marktumfeld mit Extraprofit verkaufen können. Der gesamtwirtschaftlich sehr gefährliche Wirkmechanismus wird im Anhang C 1. näher erläutert.
Eine ähnliche Folge unkontrollierter Investoren Tätigkeit ist die Verschandelung ganzer Vorstädte mit “rentablen”, aber einfallslos uniformen Mietskasernen. Wie auch die noch schlimmeren Beton-Plattenbauten in den ehemaligen leninistischen Staaten repräsentieren überdimensionale Mietskasernen in den sozialen Brennpunkten der – z.B. Pariser - Vorstädte den zu Stein gewordenen Ausdruck gescheiterter Gesellschaftsentwürfe, welche den Menschen Gleichheit im Glück versprachen, aber Gleichheit bei inflationären Mieterhöhungen, in der Gewalt und in der Entfremdung brachten – Entfremdung von der Natur und von der Gesellschaft, von welcher sie keinen integrierten Bestandteil darstellen. – Wohngebäude mit mehr als ca. 20 Wohneinheiten fördern tendenziell den Effekt städtischer Anonymität und sozialer Gleichgültigkeit. Das gilt besonders dann, wenn die Bewohner nur Mieter und nicht Eigentümer sind. Im Vergleich dazu sind Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen in überschaubaren Anlagen der Entfaltung nachbarschaftlicher Kontakte und Hilfsbereitschaft förderlich.
In Deutschland beträgt die Eigentumsquote, der Prozentsatz der Wohnungen, deren Bewohner auch Eigentümer sind, nur 42 %. Bedenklich ist, dass die Quote schon seit vielen Jahrzehnten fast wie eingefroren auf diesem niedrigen Niveau verharrt und aktuell sogar rückläufig ist. Diese “Entwicklung” steht im Widerspruch zu den zahlreichen staatlichen “Förderprogrammen”, mit denen die Bildung von Wohneigentum formal unterstützt wird, u.a. “Wohnungsbauprämie”, KFW-Darlehen, “Arbeitnehmer-Sparzulage”, “Wohnriester” sowie steuerliche Absetzbarkeit - wobei die Verwaltungskosten durch die- je nach Perspektive planlose oder systematische -Zersplitterung in lauter Einzelprogramme Die Verwaltungskosten weiter maximiert werden. Systematisch passt im Kapitalismus offensichtlich besser, denn nur die noch wohlhabende Schweiz hat auch eine noch niedrige Eigentumsquote als Deutschland.
Die Ursachen liegen in beiden Ländern in einem gestörten Markt für Mietwohnungen. Die vielen neu aufgelegten Immobilienfonds nehmen Aktien oder andere Anteilspapiere institutioneller Immobiliengesellschaften ins Portfolio auf, die ihrerseits Wohnblocks aufkaufen, die Mieter kündigen, renovieren und dann zum wesentlich höheren Mietzins erneut vermieten. – Politiker, soweit sie das Problem überhaupt berührt, reagieren mit zusätzlichen Eingriffen in das bereits gestörte Marktgeschehen wie z.B. mit einer Begrenzung der Quadratmetermiete. Nachhaltig ist jedoch nur das Ansetzen bei den Ursachen, und die bestanden und bestehen in den möglichen Absprachen der wenigen großen Wohnungsanbieter – wie sie in jedem Oligopol unvermeidbar auftreten.
Um dem Prinzip des fairen Marktes als vorrangigem Rechtsprinzip Geltung zu verschaffen, geht nichts an einer – allmählichen und allseits fairen - Auflösung der Oligopole vorbei. Beispielsweise kann man Wohnungsgesellschaften verpflichten, alle frei werdenden Wohnungen ausschließlich zum Verkauf anzubieten. Damit die Absicht des Gesetzgebers nicht durch marktwidrig überhöhte Preisforderungen torpediert wird, kann der Verkaufsvorgang auf z.B. ein Jahr befristet werden, nach dessen Ablauf das Objekt in die Versteigerung geht. Für die Höhe der Mieten bedeutet das einen Anpassungsprozess nach unten, schon weil die Gesellschaften ein – gleichfalls marktkonformes - Interesse daran entwickeln, dass ihre Mieter langfristig bleiben wollen.
Im Unterschied zu hoch besteuerten mittelständischen Unternehmern befinden sich Investoren auf der Sonnenseite. Sie schicken ihre Leute/ Agenten z.B. zu den Beamten und Politikern der zuständigen örtlichen Bauaufsicht, um Projekte vorzustellen und die Möglichkeiten einer Genehmigung zu ergründen. Wie korrupt oder nicht korrupt Beamte und Politiker im Einzelfall auch sein mögen, wird Geld für einige immer eine Verlockung darstellen.
So werden mal hier, mal dort “Sondergenehmigungen” erteilt oder Bebauungspläne modifiziert. Die für alle sichtbare Folge ist, dass 20 und mehr Stockwerke hohe “Tower” in kurzer Entfernung zu Einfamilienhäusern hochgezogen, Großhotels in erster Strandlinie mitten in den natürlichen Dünengürtel gesetzt oder Naturschutzflächen zu Bauland erklärt werden. So eröffnet die Projekte Bebauung mit Hochhäusern, Appartement- und Serienhausanlagen die traurige Perspektive, dass namentlich immer mehr Küstenabschnitte ihrer natürlichen Szenerien beraubt werden. Zudem wird der Immobilienmarkt in einem Ausmaß mit Objekten geflutet, welches nur vorübergehend zur Nachfrage passen kann und danach zum Platzen der Preisblase führen muss – siehe auch Anhang C 1..
Dieser Entwicklungsmodus ist systembedingt und kann daher auch nur durch Trockenlegung ihrer Ursachen abgestellt werden, nicht aber durch „pragmatisches“ Herumbasteln an Symptomen wie in angeblichen Kampagnen gegen Korruption mit der Haltbarkeit einer Legislaturperiode. Das Hauptproblem ist ebenso alt wie die technische Zivilisation und liegt in der Macht von Bauaufsichtsbehörden. Bei diesen Behörden haben die grossen Baugesellschaften dank ihrer Staranwälte und stärkeren Argumente (in Gestalt von Geld für “Überzeugungsarbeit”) für ihre Projekte die besseren Chancen in Baugenehmigungsverfahren und können kleineren Wettbewerbern den Marktzutritt erschweren bis unmöglich machen. Es entstehen Oligopole, welche besonders in Zeiten niedriger Zinsen die Preise für Eigentumswohnungen künstlich nach oben treiben können, so dass sie schließlich gegen die Gesetze des fairen Marktes weit über den Herstellungskosten liegen.
Bauaufsichtsbehörden haben es auf sogar noch direkterem Weg in der Hand, Immobilienpreise zu beeinflussen, nämlich bei unbebauten Gelände.Auf dieser Entscheidungsebene überlagern sich die Probleme der Spekulation mit derjenigen möglicher und mitunter diskriminierender Behördenwillkür – indem “Bauerwartungsland” entweder als neues Bauland seinen Wert verzehnfachen kann – oder auf Dauer Ackerland bleibt.
Eine einheitliche und nachhaltige Lösung muss erstens jede Möglichkeit ausschließen, dass Entscheidungsträger von persönlichen Interessen beeinflusst werden und sie muss zweitens die Attraktivität jeder Grundstücksspekulation auf dem niedrigsten Niveau halten. Diesen Forderungen kann dadurch entsprochen werden, dass die Gemeinde die neu zur Bebauung ausgewiesenen Flächen zu einem fairen, nach definierten Schlüssel ermittelten Preis von den Eigentümern aufkauft. Fair ist grundsätzlich der orts- und verwendung übliche Marktpreis (für landwirtschaftliches Gelände) plus einem Zuschlag von z.B. 20% - als Ausgleich für den Zwangscharakter des Kaufgeschäfts, welches im vorrangigen Interesse des Gemeinwohls stattfindet. Denselben prozentualen Entschädigungsbonus erhält konsistent und im gesamten Staatsgebiet auch derjenige, dessen Land Naturschutzgebiet oder beispielsweise Flughafengelände wird.
Bei Baugebieten wird das aufgekaufte Land auf Gemeindekosten mit Strassen, Wasserversorgung usw. erschlossen und dann zum - wesentlich höheren - Baulandpreis an private Bauwillige verkauft. Der Gewinn geht in diesem Fall berechtigter Weise an die Gemeinde, die damit Teile ihrer Verwaltungskosten sowie Ausgaben für Einrichtungen wie Kindergärten bestreiten kann – während private materielle Interessiertheit, Spekulation und Ungerechtigkeiten auf niedrigstmöglichen Niveau gehalten werden.
Die Zuständigkeit für Sondergenehmigungen darf aus sachlichen wie auch aus psychologischen Erwägungen niemals auf der lokalen Ebene liegen. Die dafür auf höherer Ebene Zuständigen bedürfen der besonderen sozialen Kontrolle (Näheres im Kapitel A 32.)
Im Kern liegt dem aktuellen Wildwuchs dieselbe Verwechslung zu Grunde, wie sie bereits in den Kapiteln “Kapital I” und “Kapital II” erläutert wurde: Die Gesellschaft/ der Staat gestattet tatsächlichen Unternehmen Zum gegenseitigen Vorteil den Aufbau von privaten Betrieben. Deren Entwicklungsmöglichkeiten bleiben unter dem Einfluss der Marktmechanismen sinnvoll begrenzt, denn zu diesen Mechanismen zählt auch das Prinzip der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit. Ganz anders hat die bloße Investition in ein “Projekt” viel eher den Charakter eines kurzlebigen Wettspiels, das dann beendet ist, wenn der Spieler mit seinem Profit die Stätte verlässt, um sich neuen Projekten zuzuwenden. Platzt die Spekulationsblase in der nächsten systemtypischen Krise, bleiben Bauruinen in der Gegend zurück. Die hauptsächlichen Gewinner sind daher auch nicht die reichen Investoren und Spekulanten, sondern die superreichen Beherrscher des Systems, die nicht spekulieren, sondern rechtzeitig Bescheid wissen. Verlierer sind die einfachen Bürger aus Mittel- und Unterschicht, so dass der Graben zwischen ärmeren und reicheren Menschen wächst. “Während … hierzulande (gemeint: in Deutschland) die Arbeitseinkommen inflationsbereinigt seit dem Jahr 2000 nur um 8 % stiegen, nahmen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um 28,3 % zu – 3,5-mal mehr. / Mick Knauf und Jürgen Schmitt, Die Börsen-Gewinnformel, Bonn 2019, S. 22
Ausser der sehr kleinen Gruppe ultra reicher und politisch mächtiger Kapitalisten besetzt auch eine wachsende Zahl sehr reicher, jedoch mehr oder weniger unpolitischer Personen das gesellschaftliche Profil von nicht unternehmerisch tätigen Eigentümern an Produktionsmitteln, nämlich Finanziers und Investoren. Unter der Voraussetzung einer Einpassung in demokratische Kontrolle gehen ihre Aktivitäten zwar in Ordnung, sind aber überflüssig.
Bisher waren Investoren allein Kraft ihres Geldes in der Lage, Werte - wie z. B. Baumaterial, Erdbewegung, Ingenieursleistung und Arbeitskraft in - nur teilweise bedarfsgerechte, größtenteils aber fragwürdige - Projekte zu lenken. Diese Form von Lenkung ist folglich zu korrigieren – und zwar nach marktwirtschaftlichen sowie nach demokratischen Prinzipien - und damit automatisch auch nach ökologischen.
Das Eigentum an Geld ist wie jedes Eigentum prinzipiell nicht in Frage zu stellen – soweit es nicht den souveränen Machtanspruch der demokratischen Nation gefährdet. Doch die systematische Absenkung der Zinsen während der letzten mehr als 20 Jahre hat in die Rationalität politischen Handelns korrumpiert, indem die sinkende Zinslast das "Schmerzempfinden” fûr die neuen Abhängigkeiten vom Finanzsektor betäubt. Von den Finanzmagnaten aus betrachtet ist das ein Dressurakt nach dem Muster einer Konditionierung: Die irrational handelnden Politiker werden für ihre Folgsamkeit belohnt, während vernünftige Bürger mit Wertverlust ihrer Ersparnisse bestraft werden. Rationale Politik würde das Spiel der Mächtigen verderben, das offenkundig darin besteht, alle Staaten und möglichst viele Bürger in nicht rückzahlbare Verschuldung zu steuern. Das nämlich schafft noch mehr Abhängigkeit der Politik von ihrem Kooperationspartner Großkapital. Zudem liefert jede Krise, wie z. B. die Coronavirus-Pandemie reichlich “Gründe”(korrekt Vorwände) für gigantomane zusätzliche Ausgaben in Gestalt sogenannter Rettungs- und Hilfsprogramme. Wer noch nicht begriffen hat, wie abwegig irrational solche Massnahmen sind, sollte sich noch einmal das Kapitel A 5. “Kollaboration …” ansehen. Damit ist nichts gegen das Prinzip gesagt, dass besondere Situationen besondere Maßnahmen erforderlich machen – jedoch marktwirtschaftsgerecht, unbürokratisch und mit gesellschaftspolitischen Ausmaß, beispielsweise als vorübergehende Steuerentlastung für Selbständige und (v. a. kleinere) Unternehmen.
Die beschlossenen astronomischen Hilfsprogramme liefern dagegen schon kurzfristig den Vorwand für zusätzliche Belastungen der Bürger mit Steuern und Abgaben, schlimmstenfalls mit Zwangshypotheken auf Häuser wie in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. – Nach ausserhalb des Mainstream kursierenden Informationen liegen die entsprechenden Gesetzesvorlagen bereits fertig vorbereitet in den Schubladen des Finanzministeriums.
Die rund um den Globus ins Astronomische angestiegene Verschuldung der Staaten gegenüber Banken und privaten Haltern von Staatsanleihen widerspricht dem Prinzip der Verantwortung gegenüber Folgegenerationen, deren politisches Erbe somit in einer Beschneidung ihrer Handlungsspielräume besteht.
Die hohe Verschuldung ist jedoch nur eine unter mehreren Entwicklungen, welche alle auf eine wachsende politische Abhängigkeit der Staaten von der Hochfinanz und den großen Konzernen hinauslaufen. Hierzu zählt auch das teilweise bereits erfolgreiche Bemühen, Firmen, namentlich Konzernen, einen Status als Rechtspersonen auf dem Niveau von Staaten zu verschaffen. - In dem Rechtsstreit eines großen Tabakkonzerne gegen Uruguay(2010 bis 2016) hatte zwar das südamerikanische Land gewonnen und ein paar Millionen Dollar kassiert, das war aber nichts gegenüber dem Triumph des destruktiven neokapitalistischen Antiprinzips, dass eine Firma überhaupt einen Staat verklagen kann. – Denn selbstverständlich bestimmt eine Nation souverän den Rechtsrahmen, innerhalb dessen sich eine Firma betätigen darf. Diese Firma kann Gleichbehandlung mit anderen Firmen rechtlich einfordern, aber der vom Staat als Ganzes gesetzte Rechtsrahmen kann nicht zur Disposition einer Recht Auseinandersetzung stehen. Ein Angriff auf dieses Prinzip stellt einen Angriff auf die Souveränität des Nation und ihres Staates dar.
Die Befunde zeigen, dass der Kapitalismus sein Machtprinzip “divide et impera – teile und herrsche” zunehmend von der Ebene innerhalb der Staaten auf die Ebene zwischen den Staaten appliziert, welche letztere er gegeneinander auszuspielen trachtet. Die Abhängigkeit der Staaten als Schuldner des Finanzsystems ist damit – sogar dem Profitstreben noch übergeordnet -- dem Willen zur Machtausübung, zur Beherrschung, unterstellt.
Finanztechnisch geht es um die viel zu lange aufgeschobene Frage, wie die Staaten der Welt aus der Schuldenfalle entkommen können, in welche sie im Verlaufe der Coronakrise von 2020 noch tiefer hineingerutscht sind. – Im vergangenen 20. Jahrhundert, namentlich vor der Auflösung der Sowjetunion 1991, wurden Staatsbankrotts - und davon hat es nicht wenige gegeben – nach marktwirtschaftlichen Prinzipien abgewickelt. Näherte sich ein finanziell stark angeschlagenes Land einem Rückzahlungstermin für ein großes Paket von Staatsanleihen, wurde in Finanzkreisen darüber spekuliert, welchen “Schuldenschnitt” es wohl geben würde – und je nach den Schätzungen und Gerüchten fiel der Wert dieser Anleihen mehr oder weniger gegenüber ihrem ursprünglichen, dem betreffenden Staat als Darlehen geborgten Betrag. Kam es dann zur Rückzahlung und der Schuldenschnitt lag z. B. bei 50 %, dann wurden für eine auf 100 Dollar lautende Anleihe nur 50 vom Schuldner Staat zurückgezahlt, der Rest war verlorenes Spielgeld. Um Spielgeld handelt es sich jedoch stets von vornherein, wenn jemand an ein wenig stabiles und wenig zuverlässiges Land Geld verborgt, denn entsprechend seinem schlechten Ranking muss es zum Ausgleich hohe laufende Zinsen auf den Kredit zahlen. In der Mischkalkulation mit Staatsanleihen mehrerer solcher Staaten geringer Bonität konnten Banken und private Gläubiger auch dann noch ordentliche Renditen einfahren, wenn es den einen oder anderen Schuldenschnitt gab. Anleger können stets davon ausgehen, dass etwa 2 bis 3 % der Staatsanleihen nur teilweise oder im Extremfall gar nicht zurückbezahlt würden.
Dieses zwar durch sein spekulatives Element etwas Unruhe stiftende, aber marktkonforme Prinzip wurde in der griechischen Finanzkrise von 2012 untergraben. Obwohl der Anteil Griechenlands an der EU-Wirtschaftsleistung nur ca. 4 % betrug, wurde die Zahlungsunfähigkeit des Landes – sachlich völlig daneben- von Politik und Medien zu einer “Eurokrise” aufgeblasen, welche bekanntlich zur Schaffung eines “Euro-Rettungsschirms” mit milliardenschweren Garantiezusagen und Zahlungsleistungen vor allem von Seiten Deutschlands führte.
Die Zahlungskrise wäre, wie allen Beteiligten bewusst gewesen sein müssen, normalerweise mit einem Schuldenschnitt passender Größenordnung ausgestanden . Einige private Spekulanten und Banken hätten Geld verloren, und zwar Spielgeld – denn niemand hatte jemanden gezwungen, einem Land geringer Bonität Geld zu borgen. Doch diese marktkonforme Lösung war offenkundig politisch absolut unerwünscht. Die Medien überschlugen sich in Krisenhysterie, in den Talkshows kamen so gut wie ausschließlich Befürworter massiver staatlicher Eingriffe zu Wort, alles schrie nach einem Euro-Rettungsschirm und Griechenlandhilfe. Die Hilfe floss – aber kaum dem notleidenden griechischen Staat zu, sondern den Banken und Spekulanten, die zuvor über Jahre hohe Kreditzinsen von Griechenland kassiert und von dem damit verbundenen Risiko gewusst hatten. Die sogenannte Griechenland Krise war eines der vielen Beispiele für die systematische Untergrabung freiheitlicher, demokratischer und marktwirtschaftlicher Prinzipien. Kapitalismus: Typisch erfolgte der Erstangriff auch in diesem Falle an der verwundbarsten Stelle. Bei einem grösseren Land mit noch grösseren betroffenen Geldmengen und noch mehr direkt betroffenen Menschen wäre mehr Widerstand in der Bevölkerung aufgekommen und bei einem kleineren Land hätte sich nicht ein so umfangreiches politisches Spektakel inszenieren lassen.
Das ist allerdings nur ein Teil der Geschichte. Ein anderer ist, dass die deutsche Regierung Merkel, die Banken mit Geldern aus der Steuerkasse gefüttert hatte, sich in den Chor derjenigen einreihen, welche von Griechenland außer Sparmassnahmen auch Privatisierung von Staatseigentum verlangten – und durchzusetzen half. So war es der wie gewohnt kapitalistischen hörigen deutschen Regierung “gelungen”, die Steuerbürger gleich doppelt zu schädigen, indem sie außer den milliardenschweren Geldabflüssen und Verpflichtungen noch einen großen emotionalen Schaden verursachte. Dieser wurde in dem verständlichen Zorn vieler Griechen, unter anderem auch des damaligen Finanzministers, auf “die Deutschen” erkennbar.
Das Resultat entsprach zu 100 % den Wünschen der Hochfinanz, denn namentlich war mit Griechenland ein tückischer Präzedenzfall geschaffen worden, indem …
Spekulation Risiken zunehmend vom Staat aufgefangen werden
Unterstützungsleistungen für Banken auf Staatskosten zur Routine werden
der marktwirtschaftliche und gerechte Schuldenschnitt faktisch abgeschafft wird
die - für den Gläubiger vorhersehbare - Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Landes in ein Ausschlachten seiner Substanzwerte per Ramsch-Privatisierung einmündet(Beispiel Treuhand im Kapitel A 5. "Kollaboration zwischen Staat und Kapital")
die Souveränität von Staaten in der Abwicklung von nicht rückzahlbaren Schulden außer Kraft gesetzt wird (siehe Parallel Beispiel Argentinien, dessen so ausgelöste Hyperinflation das Land zum Ramschladen für Investoren macht).
Der fünfte Punkt ist hinsichtlich der Signalwirkung der weitreichendsten und destruktivität – weil mit der Souveränität auch die legitimen demokratischen Machtverhältnisse auf dem Spiel stehen. Genau diese Gefahr hatte bereits Thomas Jefferson erkannt, als er mit den Worten zur Wachsamkeit aufrief: “I believe that banking institutions are more dangerous to our liberties than standing armies.” – Ich glaube, dass Bankhäuser/ Finanzinstitute gefährlicher für unsere Freiheiten sind als stehende Armeen. Referenz: www.keepinspiring.me
Die weltweite Schuldenkrise der Staaten stellt sich als unausbleibliche Folge eines lange verschleppten Versäumnisses dar, des Versäumnisses, die Demokratie nicht als lebendiges Prinzip begriffen und weiterentwickelt zu haben (Kapitel A 27. “Freiheitliche Demokratie als lebendige Idee”).
Dabei hatte Thomas Jefferson der Nation einen ebenso einfachen wie wichtigen Grundsatz auf den Weg gegeben: “Never spend your money before you have it"..." – Gib nie dein Geld aus, bevor du es hast"..." / Referenz: www.keepinspiring.me Diese einfache Regel kennt nur drei rationale Ausnahmen, von denen zwei ausschließlich für Privatpersonen und Firmen gelten, nämlich Immobilienerwerb und allgemein Investitionen. Die dritte und zugleich einzige zulässige Ausnahme für einen Staat bildet eine Notfallsituation, z. B. infolge einer Naturkatastrophe. Mit jeder anderen Begründung stellt staatliche Schuldenaufnahme eine Beraubung von Folgegenerationen dar, im Turnus der Legislaturperioden zunächst auch der politische Nachfolger. Es liegt deshalb Raub und nicht nur Diebstahl vor, weil der Vorgang unter Anwendung von Gewalt stattfindet, nämlich missbrauchter (struktureller) staatlicher Gewalt, wie sie sich in den Händen der jeweiligen Regierung und Parlamentarier befindet.
Das von einer Nation als Staat Souverän dem Parlament übertragene Haushaltsrecht kann billigerWeise nicht mehr umfassen als die Verwaltung der vorhandenen Werte - das Eingehen von Verbindlichkeiten in ihrem Namen erfüllt, insbesondere, wenn keine entsprechenden Substanzwerte hinterlassen werden, den Tatbestand der Veruntreuung – ebenso wie das Veräussern/ Privatisieren von Substanzwerten ohne Hinterlassen entsprechender Geldreserven.
Es versteht sich also als Ausdruck demokratischer Rückständigkeit, wenn aktuell wohl in keinem Land der Welt das staatliche Schuldenmachen verboten ist. Infolgedessen können Parlamentarier formal nicht für die von ihnen verursachte Staatsverschuldung haftbar gemacht werden. Moralisch geht allerdings die im “Agentic State” von Politikern abgegebene Verantwortung innerhalb der von den Kapitalisten inoffiziell eingerichteten tribalistischen Hierarchie ganz automatisch eine Etage höher, also an sie selbst als faktische Machthaber.
Diese Gesamtverantwortung trägt den Finanzmagnatendie Aufgabe ein, die weltweite Schuldenkrise auf faire Weise zu lösen – also ohne jegliche Eintreibung von Substanzwerten. - Sich dazu ein tragfähiges Konzept einfallen zu lassen, liegt ganz in ihrem ureigenen Interesse, denn die marktkonforme Alternative für souveräne Staaten besteht letztlich immer im Schuldenschnitt. – Allerdings verlangt es das Prinzip der Nachhaltigkeit, dass notorische Schuldenmacher zukünftig nicht mehr belohnt werden dürfen.
Banken müssen sich wie alle Unternehmen den Regeln der jeweiligen Staaten unterwerfen und nicht umgekehrt. Dementsprechend besteht auch im demokratischen Rechtsstaat jederzeit die Möglichkeit, ein seinen Aufgaben nicht mehr genügendes oder nicht kooperierendes Bankwesen einer Reform beliebigen Ausmaßes zu unterziehen, was auch den Widerruf gewährter Rechte wegen Irrtums einschließen kann. Ausdrücklich ist festzustellen, dass ein Teil der aktuell den Banken zugestandenen Rechte den Charakter von rechtsstaatlich fragwürdigen Privilegien haben, für deren wirtschaftliche Sinnhaftigkeit die Beweislast (nicht die Aufforderung, schein logische Ausreden vorzutragen) bei den Begünstigten liegt. So haben Banken früher bei der Vergabe eines Kredits das von Sparern bei ihnen zinsbringend angelegte Geld zu höheren Zinsen weiterverliehen, beispielsweise an Unternehmer und Immobilienkäufer. Heutzutage stammt die Kreditsumme im Regelfall aus einer Geld-Neuschöpfung und die “geschieht … über einen schlichten Buchungsvorgang, Geld wird aus dem Nichts erzeugt.” / Ped, Kredite – Der Hebel zur Geldschöpfung, 2015, in Peds Ansichten, Referenz https://peds-ansichten.de/
Anders ausgedrückt hat es den bei einer Kreditgewährung auf dem Konto des Kunden erscheinenden Betrag vorher noch gar nicht gegeben. Bei Geld-Neuschöpfung muss eine Bank in der EU lediglich 1% der Kreditsumme bei der EZB als Andeutung einer Sicherheit einzahlen (in China sind es immerhin 20 %). Natürlich bereitet diese Leichtigkeit der Darlehensvergabe einer schubweisen Marktüberhitzung insbesondere bei Immobilien den Weg, so dass es inzwischen nur eine Frage relativ überschaubarer Zeiträume bis zur nächsten platzenden Immobilienblase ist.
Die Geldpolitik der “westlichen” Staaten ist angeblich so ausgelegt, dass sie der Gefahr von Wirtschaftskrisen vorbeugt.“Die meisten Staaten haben es sich untersagt, selbst Geld zu schöpfen oder direkt Zentralbankkredit aufzunehmen." So ist in Artikel 123 des Lissabon-Vertrages geregelt, dass "die Staaten der Europäischen Union auf ihr eigentliches Hoheitsrecht, Geld zu schöpfen, verzichten und dieses Recht auf das Geschäftsbankensystem überträgt”. / Monetative, Wie entsteht Giralgeld Und Wie kommt es in Umlauf?, Referenz https://monetative.de/wie-entsteht-giralgeld-und-wie-kommt-es-in-umlauf/
Wäre das genannte Hoheitsrecht der Geldschöpfung bei den Staaten geblieben, hätten es Politiker noch leichter, unverantwortlich mit dem Geld umzugehen – so jedenfalls argumentieren diese selbst. Doch das Gegenteil ist der Fall, denn dann gäbe es einzig und allein den Vorgang der staatlichen Geldschöpfung, auf dessen massvolle und demokratisch überwachte Handhabung sich Gesellschaft und Politik voll konzentrieren können, während Kreditaufnahme durch den Staat überflüssig würde. Zudem wäre die Gefahr der Marktüberhitzung durch ausufernde Kreditvergabe, wie sie jetzt durch Privatbanken stattfindet, unter Kontrolle. Als praktische Leitschnur könnte gelten, dass der Staat seine laufenden Kosten für sein Personal, für Bildung, innere und äussere Sicherheit, für Gebäude- und Verkehrswege Instandhaltung sowie für das Gesundheits- und Sozialwesen weiterhin aus Steuergeldern bestreitet – bei Unzulässigkeit jeder Verschuldung. Alle Ausgaben mit dem Charakter einer Sachwertinvestition wie Bau und Aufkaufen von Verkehrsinfrastruktur, Rückkauf von Wasserwerken, Aufkauf von Ruinen Grundstücken und von Aktienpaketen könnten problemlos per Geld-Neuschöpfung bestritten werden.
Demgegenüber ist die aktuell realisierte Verschuldungs- und Privilegierung Politik auch unaufrichtig, denn die Bürger werden in dem Glauben gehalten, allein die Zentralbanken und damit (wenigstens formal) staatlich kontrollierte Einrichtungen hätten das Recht zur Neuschöpfung von Geld. Dass die Verschleierung der Wahrheit ihren Grund hat, zeigte sich, als Bürger gefragt wurden, ob sie einem System der Geldschöpfung durch Geschäftsbanken zustimmen würden. “Nein, ein solches Geldsystem möchten wir nicht haben – so antworteten über 90% der Befragten in einer Umfrage, die Professor Richard Werner unter Frankfurter Bürgern durchgeführt hat, zum Thema 'Wer macht und verteilt das Geld". Monetativ: Wie entsteht Giralgeld und wie kommt es in Umlauf?, Referenzhttps://monetative.de/wie-entsteht-giralgeld-und-wie-kommt-es-in-umlauf/
Als geistige Schöpfer des krisenanfälligen aktuellen Bankensystems sind die Kapitalisten auch diejenigen, welche deren Resultate zu verantworten haben. In ihrem eigenen Interesse sollten sie umgehend die Chance wahrnehmen, dieses nach den Erfordernissen einer fairen Marktwirtschaft gründlich zu reformieren und dabei selbst erkennbar und nachhaltig in eine solidarisch mitgestaltende gesellschaftliche Rolle überzuwechseln.
Nachhaltigkeit erfordert allerdings einen Wechsel der Blickrichtung, nämlich im Geld den fairen Gegenwert für Leistung und Ware zu sehen. Dieser Gegenwert aber steht primär demjenigen zu, der geleistet hat, denn Wertschöpfung hat ihren Ursprung stets im Einsatz von Arbeit - und zwar zunehmend geistiger Arbeit. Über seine Gegenwerte ist Geld lebenserhaltend, Blut, wie es im Hebräischen passend heißt. Das zu verinnerlichen bedeutet, im Geldeinsatz für politische Manipulation, Machtentfaltung und für Militarismus eine Vergeudung, eine Zweckentfremdung und eine gesellschaftliche Veränderung zu erkennen – die es abzustellen gilt.