A 25
Nationalismus, Patriotismus und freie Assoziation

Im Kapitel „Tribalismus“ wurde aufgezeigt, dass der äußerst problematische „Agentic State“ mit einer ganzen Reihe anderer Verhaltens Charakteristika in Verbindung steht, die man in einem tribalistischen Profil zusammenfassen kann. Diese aus der steinzeitlichen Vorgeschichte des Menschen stammenden Verhaltens Neigungen wurden seit dem Aufkommen städtischer Zivilisationen nicht etwa abgelegt, sondern teilweise erheblich gesteigert, namentlich hinsichtlich der Bereitschaft, sich in einen „Agentic State“ zu schalten, also in den der Unterordnung.

Dass ein solches Profil den Weg in eine bessere Zukunft versperrt, eine Zukunft in Frieden, Freiheit und Demokratie, zeigt eine Gegenüberstellung mit zwei höher entwickelten Verhaltensprofilen.

Tribalismus:                                                          

Ursprüngliche Form der Bindung an eine Gruppe - typisch für kleine und mittlere Gebietseinheiten und überschaubare Mitgliederzahlen 

Profil (aus dem vorigen Kapitel):

  1. Im Falle von Leninisten Verkündigung von Gleichheit und Kollektivismus, im Falle von Nationalisten und religiösen Fanatikern Überlegenheitsparolen.
  2. In beiden Fällen defizitäre Integrations- und Verständigungsbereitschaft gegenüber anderen Gruppen.  
  3. Großes Delta zwischen dem theoretischen Anspruch und der Realität, eine Folge unzureichend rationaler und überhöhter emotionaler Orientierung (Dogmatismus).
  4. Rangordnungsstreben und Fixierung auf Führungspersönlichkeiten (kaum auf Prinzipien oder konsistente Ideen), dementsprechend kritiklose Hierarchieunterwerfung und Meinungskonformität
  5. Trotz kumpelhafter Fassade, wenig Solidarität und herzliche Verbundenheit, Teilhabe an Vorteilen als bindendes Element (Opportunismus). 
  6. In guten Zeiten ausreichende Bindungskräfte um die Quellen materieller Vorteile, in Phasen schwindender Vorteilsquellen jedoch Auflösungstendenzen. (Die Erscheinung entspricht dem in der Natur weit verbreiteten Kommensalentum. Beispielsweise versammeln sich Löwen und Hyänen mitunter verträglich an einer umfangreichen Beute, solange alle reichlich zu fressen haben).
  7. Desintegrierende psychologische Einflüsse wie Neid und verschiedene andere narzisstische Charaktereigenschaften, namentlich die Unfähigkeit, Leistungen anderer aufrichtig anzuerkennen; durch diesen Narzissmus weitere Schwächung des ohnehin nur oberflächlichen Zusammenhalts, dementsprechend keinerlei Resistenz der Gruppe gegen „Säuberungsaktionen“ von oben
  8. Trotz der schwachen Bindungskräfte eindeutige Vorrangigkeit der Bindung an die Teilgruppe (Partei, Religionsgemeinschaft, Organisation) vor derjenigen an die Nation, oft demonstrativer Antipatriotismusund Fehleinschätzung desselben als „weltoffen“ und „fortschrittlich“

Es ist ein durchgängiges und daher untrügliches Kennzeichen tribalistischer Systeme, dass solche Mitglieder, die „von oben“, also durch die Mächtigen, entsprechend Punkt 6. aussortiert wurden, von allen übrigen gemobbt, gemieden und feige im Stich gelassen werden. - So präsentiert sich die entsprechende Behandlung der Freiheitshelden Julian Assange und Edward Snowden (Kapitel A 13. „Schläge unter die Gürtellinie“) als unwiderlegbarer Beweis für den zutiefst tribalistischen Status der aktuellen „westlichen“ Gesellschaften.

Patriotismus:

Moderate Form der emotionalen Bindung innerhalb einer Nation/ Gesellschaft

Profil: 

  1. Geringere Orientierung an Leitpersonen (Präsident, Kanzler etc.)

  2. Rangordnung nach Qualifikation - durch Leistung oder durch demokratische Wahl

  3. Ansätze zur rationalen Autonomie des Individuums

  4. Zusammenhalt durch moderate Solidarität auf der Grundlage eines (mitunter herzlichen) Wohlwollens.

  5. Auch und besonders bei Knappheit und in Notzeiten stabiler Zusammenhalt

  6. Höherrangige emotionale Bindung gegenüber der Nation als gegenüber einer gesellschaftlichen Teilgruppe (Partei, Interessenverband, ethnische oder kulturelle Gruppe, Bewohnerschaft eines Bundesstaates/ einer Provinz/ einer Stadt).

  7. Mittels Solidarität und Konsensfähigkeit Fähigkeit der Nation zur Ausübung ihrer demokratischen Hoheitsrechte sowie deren Verteidigung gegen konkurrierende Machtansprüche  

Rationaler Zusammenschluss:

Assoziation frei entscheidender Individuen oder Assoziation freier Nationen

Profil:

  1. Orientierung an Ideen und Prinzipien, nicht an Führungspersonen 

  2. Rangordnung/ Befugnisse und Sachentscheidungen ausschließlich nach Qualifikation und/ oder per Mehrheitsbeschluss

  3. Rationale Autonomie des Individuums, „Autonomous State“

  4. Zusammenhalt durch gemeinsame Grundwerte und Ideale, die aus einem rationalen Weltbild schlüssig abgeleitet sind – idealistische Bindung

  5. Dezente emotionale Bindungskräfte, welche aber auch in Notzeiten fortbestehen und beherztes Eintreten für bedrängte Freiheitsverfechter gewährleisten.

  6. Rationale Wahrnehmung der Nation sowie höherer Integrationsformen aus mehreren Nationen als diejenigen solidarischen Einheiten, welche demokratische Rechte und Freiheiten tatsächlich einfordern und behaupten können

  7. Die Durchdringung des Bewusstseins der Individuen mit den Ideen und Prinzipien des rationalen Zusammenschlusses liefert nach und nach die psychologischen Voraussetzungen für ...

    1. Die Überwindung tribalistischer Bindungsformen in den Gruppierungen innerhalb der Gesellschaft und deren allmähliche Umwandlung in freie Assoziationen

    2. nachhaltigen Konsens und Zusammenhalt der Gesellschaftsmitglieder gegenüber undemokratischen Macht Ansprüchen und verantwortungslosen Verhalten von Führungspersonen (siehe Kapitel A 32., letztes Viertel)

    3. Offenheit für die Aufnahme authentisch integrationswilliger Menschen, welche ihre bisher prioritäre Bindung als Angehörige einer insgesamt noch nicht integrierten Gruppe zugunsten der Assoziation eindeutig nachordnen.

    4. Integrationsprozesse zwischen befreundeten Nationen sowie Fairness auch gegenüber nicht befreundeten

In dem Maße, wie es gelingt, die notwendige Mindest Solidarität in der Gesellschaft wiederzubeleben und aus dem „Agentic State“ in den „Autonomous State“ umzuschalten, öffnet sich der Weg weg von Neid, kleinlicher Missgunst und ängstlicher Unterordnung in tribalistischen Strukturen und hin zu einem wohlwollenden und fairen Umgang miteinander.

Bislang war das (kulturelle und politische) Establishment jedoch den Wünschen des Großkapitals entsprechend darauf dressiert, jeden Ansatz von Patriotismus (klar zu unterscheiden von kleinlichem Nationalismus) blindwütig anzugreifen - oder auf unauffällige Weise mundtot zu machen, wie das folgende Beispiel von Text Unterschlagung in einem bedeutenden Zitat zeigt. Der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler sprach nach seiner Wahl vor der Bundesversammlung den bekannten Satz: „Ich liebe unser Land“.  In derselben Rede führte er weiter aus: (Korrektes Zitat auf Spiegel Online)“Deutschland muss sich also verändern, das ist wahr. Aber wir sollten uns dabei auch unserer kulturellen und religiösen Wurzeln bewusst sein. Wie schaffen wir es, das abstrakte Wort 'Werte' aus Politikerreden in Alltagsgespräche und Alltagsverhalten zu bringen und so lebendig zu machen? Wie schaffen wir es, uns im größer werdenden Europa unserer nationalen Identität zu vergewissern und zugleich eine europäische Identität zu gewinnen? - Ich habe übrigens, meine Damen und Herren, die Erfahrung gemacht: Patriotismus und Weltoffenheit sind keine Gegensätze, sie bedingen einander. Nur wer sich selbst achtet, achtet auch andere.“ Referenz: www.spiegelonline.de – vollständiges Zitat

Ausgerechnet auf der für das politische Amt eingerichteten Homepage wird dasselbe Zitat in verstümmelter Form präsentiert. „Verstümmelt“ passt deshalb, weil nicht etwa eine Textreduktion auf den wesentlichen Passagen vorliegt. Vielmehr wurde von dem langen Redetext ein vom Volumen her völlig unbedeutender Anteil von weniger als einer Zeile abgeschnitten. – Doch hinsichtlich der Abstraktionsstufe und Bedeutung bilden diese elf abschließenden Worte die Quintessenz.

Das abgekürzte Zitat auf www.derbundepraesident.de lautet: “Deutschland muss sich verändern, das ist wahr." Aber wir sollten uns dabei auch unserer kulturellen und religiösen Wurzeln bewusst sein. Wie schaffen wir es, das abstrakte Wort "Werte" aus Politikerreden in Alltagsgespräche und Alltagsverhalten zu bringen und so lebendig zu machen? Wie schaffen wir es, uns im größer werdenden Europa unserer nationalen Identität zu vergewissern - und zugleich eine europäische Identität zu gewinnen? Ich habe, meine Damen und Herren, übrigens die Erfahrung gemacht: "Patriotismus und Weltoffenheit sind keine Gegensätze.”    (Schluss, Ende - der letzte Redeteil zu den beiden Aspekten „gegenseitige Bedingung zwischen Patriotismus und Weltoffenheit“ und „Selbstachtung“ wurde unterschlagen.)

Diese Manipulation offenbart eine zutiefst tribalistische Haltung. - Wer als Person keine Selbstachtung  empfindet, leidet lediglich unter Minderwertigkeitskomplexen. Doch die Selbstachtung des sozialen Verbandes abzulehnen bedeutet zusätzlich, seine Mitmenschen zu Kollateralopfern der eigenen psychischen Defizite zu machen. Zudem stellt diese Geringschätzung eine unterwürfige „altruistische Abtretung“ dar, und zwar gegenüber den – gar nicht demokratisch legitimierten – Mächtigen mit dem vielen Geld, die ihre „Untertanen“ genau so haben möchten – komplexbeladen und paralysiert durch fehlende Selbstachtung. - Altruistische Abtretung ist eine derjenigen psychologischen Abwehrmechanismen, die für tribalistische Programmierung des „Über-Ich“ besonders kennzeichnend sind und im Establishment inzwischen eine bedenklich weite Verbreitung gefunden haben.

Unter diesem Blickwinkel lassen sich die Betrachtungen zu den Kriegen in Korea und Vietnam im Kapitel A 20./ zweite Hälfte erweitern. Zum Vietnamkrieg heißt es dort: “Nach 20 Jahren Militäreinsatz konnte man eine weitgehende Deckungsgleichheit zwischen Resultaten und wahren Zielen unterstellen: Ein endloser Krieg … und eine ungeheure Blamage der amerikanischen Nation - zum moralischen Vorteil aller Feinde der freiheitlichen Demokratie. Die psychologisch verheerende Doppelbotschaft an die Welt lautete, dass “die Amerikaner” brutale Kriegsverbrecher sind und dass der reale Sozialismus (Leninismus) unbesiegbar ist”

Für die britisch-amerikanischen Kapitalisten hatte der Leninismus zu keiner Zeit eine ernste Bedrohung dargestellt. Viel eher bot er verschiedene Vorzüge als ein automatisches Werkzeug, das seine Energien gegen den „bourgeoisen“ Mittelstand und überhaupt gegen alle unabhängigen Menschen richtete – und damit gegen die vom Großkapital als ihre eigentlichen Rivalen angesehenen Personen. Zudem bot das System auch den angeblich herrschenden Arbeitern keine Möglichkeit zu einer Weiterentwicklung auf Mittelstands Niveau, indem privatwirtschaftliche Initiative nicht zugelassen war. Eine weitere nützliche Funktion erfüllte der Leninismus als wohlstands verhinderndes Pleite-System, neben dem selbst eine durch Privilegien und Machenschaften des Großkapitals verfälschte Marktwirtschaft jahrzehntelang glänzen konnte.

Der Koreakrieg (1950 – 1953) hatte den Geldmagnaten dabei geholfen, die Warnbotschaft vom gefährlichen Sozialismus im Rahmen ihrer Propaganda-Welle des “Second Red Scare”(1947 bis 1957) zu verstärken. Doch kam es im Nebeneffekt auch zu einem breiten patriotischen Konsens in der amerikanischen Gesellschaft. Genau dieser Effekt war aber offenbar absolut unerwünscht. – Nach zwei gründlichen, tief eingebrannten Red-Scare-Lektionen von der “Überlegenheit des Kapitalismus gegenüber dem Marxismus” und nach bereits drei zurückliegenden 180 Grad-Wendungen der amerikanischen Außenpolitik 1917, 1933 und 1947 erfolgte während des Vietnamkrieges eine erneute politische Richtungsänderung. Doch handelte es sich diesmal nicht um eine simple 180-Grad-Wendung, die alle Bürger in eine neue, fast entgegengesetzte Richtung lenkte, sondern um eine gänzlich surreale, die Gesellschaft tief spaltende. Dieser Umlenkungs- und Spaltungsprozess hat 20 Jahre in Anspruch genommen, nämlich die gesamte Dauer des Vietnamkrieges von 1955 bis 1975.

Während die bürgerlich-konservative Mehrheit im Vietnamkrieg überwiegend an ihrer patriotischen Haltung festhielt, wurde eine wachsende linke Protestbewegung von den Mainstream-Medien geduldet und sogar - bis heute - auf subtile Weise ermuntert und unterstützt. Diese Bewegung war sachlich im Recht, indem sie die amerikanischen Kriegsverbrechen verurteilte. Die ihnen unversöhnlich gegenüberstehenden Konservativen waren ebenfalls sachlich im Recht, indem sie eine rasche siegreiche Beendigung des Krieges wünschten.

Doch 20 Jahre lang wurden die Linken wie die Konservativen gleichermaßen hingehalten und tagtäglich durch die ausführlichen Kriegsnachrichten – schubweise in gelegentlichen “Enthüllungen” gesteigert – einer regelrechten Psychotortur ausgesetzt, denn statt zu einer Beschränkung auf militärische Ziele kam es zu einer unkontrollierten (wohl eher vorsätzlichen) Einbeziehung der Zivilbevölkerung und statt einer raschen siegreichen Beendigung des Krieges gab es eine endlose Verschleppung mit katastrophalem Ausgang. Das menschliche Gehirn ist allerdings so angelegt, dass es einem solchen emotionalen Dauerstress auszuweichen trachtet, es sucht nach Möglichkeiten, endlich in einen Modus der Ruhe überzuwechseln.

Die Linken konnten dieses psychische Gleichgewicht über den Abwehrmechanismus der “Identifikation mit dem Gegner” (letztes Kapitel “Tribalismus oder Freiheit” gegen Ende) erreichen. Das bedeutete damals, mit den kommunistischen Vietcong zu sympathisieren (mit Che Guevara-Bildern, Ho-Tschi-Minh-Parolen und roten Fahnen) und sich betont antipatriotisch aufzustellen. Für die Kapitalisten waren die Linken nach jahrzehntelanger Domestizierung trotz ihrer vermeintlich marxistischen Parolen ein zahnloser Tiger, da ihr in Wirklichkeit leninistisches Weltbild stets das Lager des bürgerlichen Mittelstandes als Gegner im Visier hatte. Die Superreichen und tatsächlich Mächtigen blieben dagegen für sie wie für die Konservativen fast gänzlich außerhalb des Blickfeldes.

Auf globaler Ebene war der Siegeszug des Leninismus in der III. Welt die bedeutendste Folge der Vietnam Katastrophe, während es innenpolitisch die Beschädigung der Selbstachtung der Bürger der USA war – und damit des Patriotismus und der demokratisch handlungsfähigen Nation. Der Vietnamkrieg hat die amerikanische Gesellschaft tief gespalten. Im bürgerlich-konservativen Lager war man erbost auf die Linken, weil man diesen die Schuld an einem unzureichenden Militäreinsatz gab und dasselbe spiegelbildlich im linken Lager, weil man die Schuld an der menschenverachtenden Kriegsführung bei den Konservativen sah. 

Während die Linken jedoch dank des Abwehrmechanismus der "Identifikation mit dem Gegner” zwar fehlprogrammiert, aber psychisch unbeschadet die 20 Jahre überstehen konnten, war das im konservativen Lager nicht möglich. Sich als Patriot mit der amerikanischen Politik und dem amerikanischen Militär zu identifizieren bedeutete, alle die letztlich vergeblichen Anstrengungen an sich selbst nachzuempfinden – mit der Folge eines tiefen Versagens- und Minderwertigkeitsgefühls, eines gebrochenen Stolzes. Auch die nicht zu verbergenden Kriegsverbrechen trugen zu diesem Trauma bei, in diesem Fall in Gestalt einer Akkumulation von Schuldgefühlen.

Schuld- und Versagensgefühle sind psychologisch hoch wirksame Mechanismen, um die Menschen im “Agentic State” zu halten.  Dementsprechend liess sich das Profil des nunmehr in eine tribalistisch-untertänige Position gezwungenen und dadurch formbaren Konservatismus, also richtiger Pseudo Konservatismus, fortan wesentlich leichter manipulieren, mit dem erschreckenden Resultat in Gestalt der “Falken” in der heutigen “amerikanischen” (tatsächlich: kapitalistischen) Politik. Vorhersehbarer Weise sind diese Personen, die das Trauma von Vietnam durch aggressive Hochrüstung psychologisch zu kompensieren trachten, das passende Werkzeug für die den Kapitalisten als “Endlösung” vorschwebende “Neue Weltordnung”. Anders als Linke identifizieren sie sich zwar kaum mit einem derartigen Ziel, doch tragen Sie bereitwillig jeden irrationalen Militäreinsatz gegen ein von der Presse proklamiertes “Monster” mit, blind und taub für den Propaganda Charakter der dafür vorgebrachten Vorwände, erfüllt von der Angst vor erneuten Niederlagen  im vermeintlichen Kampf gegen das Böse. Selbstverständlich stimmen sie jeder noch so masslosen und die Welt weiter destabilisierenden Erhöhung der Militärausgaben bedenkenlos zu, ebenso jeder Wirtschaftssanktion vor allem gegen “die Russen” (Nachtrag: Diese 2021 beschriebene Emotionalisierung erfährt seit Beginn des Krieges in der Ukraine eine gefährliche Steigerung – siehe Kapitel A 14.). 

Der amerikanische Konservatismus hat über seine traumatische Beschädigung vergessen, wie Freiheit und Demokratie zu konservieren, also zu bewahren und zu schützen sind – nämlich indem sich jeder einzelne Bürger aus rationaler Überzeugung und beherzt gemeinsam mit anderen Mitgliedern der solidarischen Nation für diese Werte einsetzt – aber nicht durch hysterischen, inkonsistenten Militarismus. Wäre das historische Gedächtnis nicht so schlecht, würde solche Inkonsistenz beispielsweise auch darin erkannt werden, dass das ehemals bekämpfte kommunistische Vietnam schon seit einigen Jahren - und zwar offiziell - mit amerikanischen Waffen beliefert wird.

Dieses warnende Beispiel der vom korrekten Weg abgekommenen amerikanischen Konservativen spricht umso mehr für einen weltoffenen und rationalen Patriotismus – und ausdrücklich gegen Nationalismus und Militarismus. Nationalismus stellt ein unausgereiftes, von der Geschichte  überholtes Konzept dar, welches patriotische Bindung mit tribalistischen Elementen,  namentlich mit einer starken Personenfixierung und ausgeprägtem Rangordnungsdenken, zu verbinden trachtet. Dabei werden beide Komponenten, die patriotische wie auch die tribalistische, emotional unangemessen überhöht. – Diese irrationale Emotionalisierung - ihrerseits ein tribalistisches Element -  macht den Nationalismus zu einem gefährlichen Modell, namentlich im Zusammenleben zwischen den Nationen. Der Patriot empfindet für den Patrioten einer anderen Nation Achtung und Respekt, der Nationalist für den Nationalisten einer anderen Nation Misstrauen und Antipathie (historisches Beispiel Polen – Deutschland vor dem 2.Weltkrieg) . Daher bietet Nationalismus im schroffen Gegensatz zum Patriotismus kaum Spielraum für höhere integrative Entwicklungen - so auch zu beobachten in der kapitalistischen Torpedierung jeder nachhaltigen Annäherung der USA an das nach sowjetische Russland). 

Wie noch näher zu erläutern ist (siehe Kapitel A 34. „Klassenlose Gesellschaft?“) stellt die Befreiung des im Tribalismus unterdrückten „Autonomous State“ den eigentlichen Schlüssel zu einer Zukunft in Selbstachtung und gegenseitiger Achtung dar. Fairness als wesentlicher Ausdruck dieser gegenseitigen Achtung kann sich im „Agentic State“ nicht entfalten. – Glücklicherweise hat Fairness – als Gegenprinzip zur Macht – ebenso wie diese die Tendenz zur Selbstverstärkung. Wenn also in einer besseren Zukunft die gesellschaftlichen wie auch die zwischen gesellschaftlichen Bedingungen für Fairness einmal fest etabliert sind, bleibt kein Spielraum mehr für Macht abseits unmittelbarer demokratischer Kontrolle.