Der historische Schritt, mit dem der Tribalismus insgesamt und der Kapitalismus im Besonderen überwunden wird, ist deshalb absolut entscheidend, weil mit ihm das doppelte Antikonzept der unsolidarischen und der heimlichen Machtentfaltung durch fortschrittliche, transparente Konzepte des freien Zusammenlebens ersetzt wird.
Karl Marx hat erkannt, dass jeder historische Prozess Evolution darstellt, konkret Evolution der gesellschaftlichen Organisationsformen. „Nur bei einer Ordnung der Dinge, wo es keine Klassen und keinen Klassengegensatz gibt, werden die gesellschaftlichen Evolutionen aufhören, politische Revolutionen zu sein.“ - Das Elend der Philosophie, MEW Bd. 4, S. 182
Marx hatte weiterhin erkannt, dass die Überwindung der diskriminierenden Klasseneinteilung die entscheidende Vorbedingung für das historische Ende revolutionärer Gewalt darstellt. – Nur vordergründig besteht der Zusammenhang darin, dass diskriminierende Schranken ungerecht sind und revolutionäre Auflehnung provozieren. Diskriminierung bedeutet vielmehr vor allem das unsinnige Brachlegen eines gigantischen Potenzials an Begabungen. Diese Potenzialverschwendung ist es, welche die betreffende Gesellschaft letztlich zum Scheitern verurteilt, falls sie nicht rechtzeitig zur Befreiung schreitet – in einer Revolution oder, wie aktuell möglich, im Wege friedlicher Reformen.
Die starre Einteilung der Gesellschaft in eine mächtige, nicht arbeitende Oberschicht und deren arbeitende Untergebene während der mittelalterlichen bis frühneuzeitlichen Adelsherrschaft schien bereits durch die amerikanische Unabhängigkeit und die Französische Revolution und ihre Nachfolgebewegungen überwunden worden zu sein.
Doch die sich zögerlich anschließende freiheitliche Demokratie hat allein in den USA - und selbst dort nur vorübergehend - ein gesellschaftliches Zusammenleben hervorgebracht, das wenig Anlass bot, von Klasse Zu reden, indem sich jeder auf seiner gerade erreichten Position als potenziellen Aufsteiger sehen konnte. Es war das von Ayn Rand zu Recht gepriesene System der authentisch freien Marktwirtschaft, welches jedem die faire Chance bot, sein Glück selbst in die Hand zu nehmen. Diesem System hatten die vorausdenkenden Gründerväter so viel Stabilität mitgegeben wie nur möglich – namentlich durch eine ebenso knappe wie klare Verfassung. Doch versäumten es die einfachen wie auch die gebildeten Bürger, die demokratischen und freiheitlichen Prinzipien so tief zu verinnerlichen, dass sie jeden undemokratischen Machtanspruch als solchen erkannt und abgewehrt hätten. So konnte sich die Macht des Geldes mehr und mehr Zutritt verschaffen und die Weiterentwicklung der freiheitlichen Demokratie vereiteln. Seit den 1990er Jahren treten auch die alten Klassengegensätze wieder zum Vorschein, welche seit der Zeit von Karl Marx bereits erheblich an Bedeutung verloren haben. Wer heute außerhalb des Sozialversicherungssystems arbeitet, in Deutschland z.B. als geringfügig Beschäftigter oder in den USA als illegaler Einwanderer, hat nur eingeschränkte Chancen, aus seiner unbefriedigenden Lage auszubrechen. Es verwundert nicht, dass die Menschen angesichts solcher Tendenzen den Lockungen der Leninisten folgen, welche nach wie vor an ihr Gesellschaftsmodell der Gleichheit aller Bürger glauben. Aus demokratischer Sicht geht es um Gleichheit vor dem Gesetz, erweitert um das Gebot der Fairness, Kindern und Jugendlichen weitgehend gleiche Chancen auf Bildung und persönliche Weiterentwicklung zu gewähren. Das Ergebnis der Bemühungen im Verlaufe eines Arbeitslebens kann jedoch nie völlig gleich sein, indem unterschiedliche Leistung, Qualifikation, Initiative usw. vorliegen.
Beispielsweise kann sich ein Berufsanfänger nicht mit erfahrenen Mitarbeitern messen und wer mehr und schwierigere Ausbildungsetappen durchlaufen hat, kann Stellen auf höheren Ebenen mit mehr Verantwortung und entsprechenden Entscheidungsbefugnissen ausfüllen. Auch viele ungelernte Kräfte können nicht die Funktion eines Ingenieurs übernehmen.
Doch den Radikaleren unter den Sozialisten war Gleichheit der Chance nie genug, sie versprachen die Gleichheit im Resultat. In Verbindung mit revolutionärem Gedankengut wurde aus einem so missverstandenen Gleichheitsideal rasch die Forderung nach Enteignung und Umverteilung. Aus dieser nicht der Fairness, sondern leistungsblindem Neid entspringenden Perspektive ist der wohlhabende Unternehmer, der sich seine Villa erarbeitet hat, das Objekt von Umverteilungswünschen, nicht aber der um das Zehntausendfache reichere Kapitalist und Beherrscher von Grosskonzernen. Der Grund ist einfach – der Unternehmer und seine Villa sind für jeden sichtbar, der perzeptuellen Wahrnehmung zugänglich. Die Filialen der grossen Handelsketten sowie die Bürotürme der Banken, Presseverlage und Konzerne sind zwar gleichfalls sichtbar, aber anonymisiert ohne die zugehörigen Eigentümer - also die Kapitalisten. Noam Chomsky nennt sie „the people who own the society“ - und macht sie so einer konzeptuellen Wahrnehmung zugänglich.
Umverteilung hat die Geschichte schon viele gesehen – doch keine einzige hat zu einer nachhaltigen Gleichverteilung des materiellen Wohlstandes geführt, stets war die hergestellte Gleichheit bereits bald nach der Maßnahme wieder hinfällig. Das wird auch immer so bleiben, weil beispielsweise A sein Auto zu Schrott fährt oder sein Haus unversichert durch Hochwasser verliert, während B im Lotto gewinnt, einen Sack Goldmünzen findet oder als Handwerker einen langfristigen Auftrag in einer teuren Appartementanlage bekommt. Mittelfristig bleibt auch namentlich von Landreformen bereits nach einer Generation keine Gleichheit erhalten, indem ein Bauer sieben Kinder hat, der andere nur eines und weil der eine fleißiger arbeitet, mehr Geschick mit den Arbeitsgeräten entwickelt, die passenden Kulturpflanzen auswählt und sich angemessener auf Witterungs Schwankungen, Schädlingsbefall usw. einstellt.
Nicht zuletzt, um der Umverteilung einen nachhaltigen Bestand zu geben, wurde in sozialistischen Ländern das Kollektiveigentum eingeführt, jedoch außer in China mit ernüchternden Ergebnissen. Fast regelmäßig kam es zu einem Nachlassen der Arbeitsmotivation. Demgegenüber hat das Anstreben von Privateigentum eine global verbreitete, offenbar tief sitzende psychische Verankerung . Diesen Befund bestätigen unter anderem soziologische Beobachtungen an Kindern in Israel, die in einem Kibbuz aufwuchsen und trotz entgegenwirken der Erziehungsbemühungen der Eltern eindeutige Tendenzen zeigten, Gegenstände als ihr Eigentum zu reklamieren: „Nimmt man diese Beobachtungen, … , so ergibt sich zwangsläufig der Schluss, dass es sich beim persönlichen Eigentumsbegriff, mit all seiner gefühlsmäßigen Unterbauung, um ein natürliches und tief verankertes Phänomen handelt, das nicht erst von der Gesellschaft erzeugt oder von ihr erst allmählich geschützt werden muss“. Prof. H Schoeck …, S. 253
Daher lag Karl Marx, der die Unausweichlichkeit einer freien Gesellschaftsordnung ohne diskriminierende Klassenbarrieren richtig vorhergesehen und begründet hatte, mit seiner Projektion einer Abschaffung des privaten Eigentums weit daneben. Zusammen mit seinen Parolen von Revolution, Diktatur des Proletariats und Umsturz der kapitalistischen Gesellschaft lieferte seine realitätsferne Verkündigung eines Endes des Privateigentums verantwortungslosen Tribalisten wie Lenin und Stalin die vermeintliche Grundlage, in seinem Namen ein Jahrhundert Desaster anzurichten.
Denn jede Enteignung zwecks Umverteilung provoziert durch ihren gewaltsamen Charakter Widerstand, auf welchen Staatsorgane ihrerseits mit gesteigerter Gewaltanwendung reagieren. – Die sich dadurch erweiternde Staatsmacht droht sogar in einer bis dahin funktionierenden Demokratie eine leninistisch-stalinistische „Ordnung“ entstehen zu lassen, die dem Konzept einer klassenlosen Gesellschaft nicht näher bringt, sondern von ihr wegführt, indem sich unkontrollierte Machtzirkel etablieren, die den Zutritt Aussenstehender filtern und den solidarischen Kontakt mit den einfachen Bürgern vernachlässigen.
Starre Klassenschranken diskriminieren – indem sie tatsächlicher Qualifikation und Leistung die faire Anerkennung versagen. In der Feudalgesellschaft hatten einfache Bürger selbst mit überlegenen Fähigkeiten nur eingeschränkte Chancen auf hochrangige Positionen im Staat – der Adel hatte sie vorrangig für sich reserviert. Der Kapitalismus erweist sich als noch weiter „fortgeschritten“, indem er einer ultrareichen Minderheit extreme Privilegien auf Kosten aller anderen einrichtet – also gleich die gesamte Gesellschaft diskriminiert.
Privilegierung und Diskriminierung als Mechanismen sämtlicher Klassenbarrieren schaffen für die einen Vorteile ohne Qualifikation und für die anderen gewaltsame Unterdrückung der freien Entfaltung. Die Abschaffung der Klassen funkioniert daher nicht durch - angebliche - Herstellung von Gleichheit, sondern durch eine Befreiung von jeder Form von Diskriminierung. Diese Freiheit zur persönlichen Entfaltung entspricht dem amerikanischen „Pursuit of Happyness“ und wird vor allem durch eine Wiederherstellung der fairen Marktwirtschaft erreicht, also deren Befreiung von der Flut manipulativer - einseitig Grosskonzerne begünstigender - Eingriffe des Staates.– Den Beweis für das Potenzial dieses Ansatzes liefert Chinas überlegene wirtschaftliche Dynamik, Innovationskraft und Aufbruchsstimmung.
Die Freiheit zur persönlichen Entfaltung hatte allerdings auch Karl Marx als die Grundlage einer tatsächlich gerechten Gesellschaft ohne Klassen erkannt, also ohne Privilegierung und Diskriminierung. „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“ Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, 1848, MEW 4, S. 482. - In diesem einen Satz hat Marx einen bedeutenden Teil seiner Gesellschaftsphilosophie komprimiert – welche sich als völlig kompatibel mit derjenigen der amerikanischen Gründerväter und auch Ayn Rands erweist:
Die diskriminierende und privilegierende Gesellschaftsform, erkennbar an einer Klasseneinteilung, ist überholt und wird allmählich durch höhere Formen des Zusammenlebens ersetzt.
Die gesellschaftliche Evolution führt zur freien Assoziation als höchstentwickelter Form. Diese unterscheidet sich von tribalistischen Gesellschaftsmodellen u.a. durch rationale und faire Konfliktbewältigung statt Gewalteinsatz.
In der Assoziation kann jedes Individuum seine Neigungen und Talente frei entfalten, indem diskriminierende Klassenbarrieren abgebaut sind.
Die freie Assoziation ist somit eine solidarische, konsequent diskriminierungsfreie und faire Wertegemeinschaft.
Die fortgesetzte Entwicklung des Individuums ist sogar zwingend notwendig, denn sie ist “die Bedingung für die freie Entwicklung aller”, also für die Höherentwicklung der Gesellschaft.
Diese Höherentwicklung der Gesellschaft setzt sich auch nach Einrichtung der freien Assoziation fort.
Wie jede Evolution kann die Höherentwicklung der Gesellschaft prinzipiell unbegrenzt weiterlaufen - und zwar so lange, wie auch die Bedingung dafür erfüllt bleibt, nämlich die Weiterentwicklung ihrer Individuen – was wiederum deren Freiheit voraussetzt.
Marx legt mit seiner Forderung nach einer “freien Entwicklung eines jeden” ebenso wie die amerikanischen Gründerväter die Betonung auf das Individuum und nicht, wie die Leninisten, auf die Gruppe, das “Kollektiv”. Zudem erkennt er, dass man nicht (nachhaltig) zu einem höher entwickelten Gesellschaftsmodell gelangt, indem man es theoretisch konzipiert und anschließend einer beliebigen Ansammlung von Menschen verordnet. Vielmehr muss vorher in dieser Gesellschaft ein Prozess in Gang gebracht werden, in dem die individuellen Mitglieder eine befreiende individuelle Entwicklung erfahren. – Im Rückblick bestätigt die Geschichte der amerikanischen Gesellschaft die marxsche Erkenntnis zu 100 %, indem diese nach ihrem bravourösen Start schon wenige Jahrzehnte später in ihrer freiheitlich-demokratischen Weiterentwicklung behindert wurde. Als Störeinflüsse traten unter anderem die kapitalistische Oligopolisierung der Zeitungen, später auch andere Medien sowie ein anhaltend schwaches Bildungssystem in Erscheinung. Diese machten eine angemessene, dem Fortschreiten in Wissenschaft und Technik entsprechende individuelle Entfaltung der Menschen unmöglich. Vielmehr haben primitive emotionale Appelle und die Überfrachtung der Informationskanäle mit nebensächlichen Details ein Verharren in oberflächlicher, perzeptueller Wahrnehmung und Prinzipien Blindheit zur Folge.
Zur freien Entwicklung eines kritischen Bewusstseins und selbständigen Urteilens konnte es kaum kommen, weil seitens der inoffiziellen Herrscher “erfolgreiche” Anstrengungen unternommen wurden, um die Menschen im “Agentic State” und damit manipulierbar zu halten - mit dem offensichtlichen Begleiteffekt einer verbreiteten psychischen Instabilität.
Während in den USA die Selbstmordrate zwischen 1999 und 2016 von 15 auf 100.000 Einwohner auf über 21,2 anstieg, fand in China eine umgekehrte Entwicklung statt. “According to WHO statistics, China's suicide rate in 2016 was 9.7 per 100,000, which was among the lowest globally and way below its suicide rate from the 1990s that hovered above 20 per 100,000. … - Nach WHO-Statistiken betrug Chinas Selbstmordrate 2016 9,7 pro 100.000 (Einwohner), was eine der niedrigsten weltweit war und weit unter seiner (eigenen) Selbstmordrate aus den 1990er (Jahren), welche bei über 20 auf 100.000 Einwohner lag. / Abhishek G Bhaya, China leads the world in suicide prevention, CGTN 10. Sept. 2019
Indem Selbstmordraten das mentale Gleichgewicht in einem Land reziprok widerspiegeln, sagen sie auch etwas über die empfundene Freiheit aus – und bestätigen konkret den entsprechen Niedergang in den USA und den Aufschwung in China. – Wer die Freiheit hat, sein Leben autonom, selbstverantwortlich und rational in die Hand zu nehmen, ist auch weitaus leichter in der Lage, sein emotionales Gleichgewicht zu halten. Diese Befunde entlarven einmal mehr die Absurdität der pseudo moralischen Attacken des kapitalistisch aufgeheizten amerikanischen Establishments gegen China. Dessen System mit inzwischen 60 % privater Wirtschaftsleistung wird extrem ungenau als kommunistisch bezeichnet – und sachlich unzutreffend als freiheitsfeindlich und gefährlich angeprangert (siehe Kapitel A 29.). Eine hypokrisiefreie Sicht zeigt dagegen eine Gesellschaft, in welcher sich Freiheit und Fairness entwickeln können, und zwar nach einem zum westlichen alternativen Konzept. Die zweifellos noch vorhandenen demokratischen Defizite des chinesischen Systems sind im wahrsten Sinne des Wortes überschaubar, indem sie offiziell in Verfassung und Einzelgesetzen nachzulesen sind. Dagegen sind die demokratischen Defizite in den USA – zum grossen Schaden der amerikanischen Nation - versteckt und verheimlicht. Die inoffiziell Mächtigen beschneiden die Freiheit, versagen die Fairness, untergraben den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gefährden den Frieden.
Die anstehenden Reformen zur Wiederherstellung der beschädigten demokratischen Ordnung können sich daher nicht auf organisatorische Restrukturierung beschränken, sondern müssen endlich der individuellen Entwicklung jedes einzelnen Menschen den notwendigen Raum geben. Dabei kommen dem freien und unverfälschten Informationsfluss und dem Abstreifen des geistigen Korsetts der “Political Correctness” Schlüsselrollen zu.
Den Startpunkt für diese in Gang zu setzende individuelle Entwicklung bildet der Moment der Überwindung des kapitalistischen Systems. In diesem Punkt …
eröffnet ein von Konzernprivilegien und bürokratischen Ballast befreiter fairer Markt Entfaltungsspielräume und schafft nach abgeschlossener Systemumstellung spürbares Wachstum und Abbau der Arbeitslosigkeit
erlaubt ein befreiter Journalismus ungefilterte Information sowie eine entkrampfte Debatte politischer Themen
ermöglicht das Abschütteln der “Political Correctness” in Verbindung mit psychologischer Bildung ein neues demokratisches Bewusstsein jenseits von Hypokrisie und eine allgemein entspannte und positivere Lebenseinstellung
bringt die Befreiung von Hypokrisie in der Politik in Verbindung mit der Überwindung der tribalistischen Feindbildprojektion einen kooperativen Umgangsstil zwischen Angehörigen verschiedener Parteien, im internationalen Kontext auch zwischen Regierungen verschiedener Länder
Gestatten diese weiterentwickelten Formen der Wahrnehmung auch zunehmend die Fähigkeit, konzeptionell zu lernen und zu denken (und damit um ca. den Faktor 10 effektiver).
werden in der konzeptuellen Wahrnehmung Prinzipien erkennbar, deren konsequente und konsistente Anwendung als demokratische Gemeinschaftsaufgabe erlebt wird
führt die entspannte Einstellung in Verbindung mit einer Reform des Strafrechts auf psychologischer Grundlage (keineswegs psychiatrischer – Psychopharmaka stehen nicht zur Debatte) zu einer stetigen Abnahme der Kriminalität, der Drogenprobleme und der Suizidrate.
Hebt die Steigerung der Möglichkeiten, sich in den “Autonomous State” zu schalten in Verbindung mit dem Ablegen unbegründeter Schuldgefühle das Selbstvertrauen, ohne in oberflächliche Überheblichkeit abzugleiten.
Ein besonderer Stellenwert kommt dem Abbau der Hypokrisie zu, welcher zukünftig auch zum festen Bestandteil demokratischer Kindererziehung werden muss. Bei diesem Vorhalten eines virtuellen Spiegels wird die entscheidende Grundlage für Einfühlungsvermögen, Fairness und Gerechtigkeitssinn gelegt.
Der allmähliche Abbau der Hypokrisie führt zu mehr Verständnis und einer positiveren Einstellung gegenüber Mitmenschen. Wie schon im Kapitel “Parteien” herausgestellt, lässt der befreite Blick Andersdenkende nicht mehr als Gegner erscheinen, sondern als interessante Diskussionspartner. Deren Ansichten können so als Herausforderung und Chance begriffen werden, um die eigenen dialektisch zu hinterfragen. Je mehr sich eine Atmosphäre der Hypokrisie Freiheit und Fairness durchsetzt, umso mehr kann auch die rationale Argumentation als letztlich einziges dem Menschen als Verstandeswesen angemessenes Instrument der Auseinandersetzung schrittweise jede Form von Gewaltanwendung ablösen.
So lässt sich der alten Spirale aus Gewalt und Gegengewalt zweierlei entgegensetzen – der nüchterne Verstand sowie auf der emotionalen Ebene ein Regelkreis aus positiven Verhaltensweisen, die sich gegenseitig verstärken, beispielsweise aus gegenseitigem Verstehen und Verständigung. Ebenso wie unverantwortliches, unaufrichtiges, unfaires und betrügerisches Verhalten in einer Gesellschaft ein Milieu Erzeugt, in welchem sich faire, und aufrichtige Menschen im Nachteil befinden und sich immer weniger entfalten können, zieht auch ein Milieu aus Fairness und Ehrlichkeit zu einer entsprechenden Selbstverstärkung – allerdings unter der Bedingung, dass Transparenz vorliegt. Wo Klarheit über wahre Begebenheiten und wahre Ziele besteht, schwinden die Chancen für Betrug und Willkür und geben Platz für eine vertrauensvolle, positive und faire Einstellung gegenüber den Mitmenschen. Damit baut sich Immunität gegen die dumpfen Appelle an tribalistischen Emotionen auf und indem diese zunehmend ins Leere stossen, vermag sich die rationale Argumentation als Mittel der Auseinandersetzung an deren Stelle zu setzen. So kommt das in Gang, was Marx die Entwicklung jedes einzelnen nannte, im gesellschaftlichen Kontext also Emanzipation.
Offenheit und Transparenz sind daher die maßgeblichen Werkzeuge, um eine gewaltfreie, harmonische und allseits bestmöglich faire Ablösung des überholten Systems zu organisieren. Karl Marx erkannte die Schlüsselfunktion des klaren Bewusstseins für jede wirkliche Befreiung erkannte. "Unser Wahlspruch muss also sein: Reform des Bewußtseins nicht durch Dogmen, sondern durch Analysierung des mystischen, sich selbst unklaren Bewusstseins", trete es nun religiös oder politisch auf. Es wird sich dann zeigen, dass die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von dem sie nur das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu besitzen.“Karl Marx, Brief an Arnold Ruge, Kreuznach, im September 1843. MEW 1, S. 346
Dass dies alles andere als wirklichkeitsferne Theorie ist, beweist die geradezu explosionsartige Emanzipation der einfachen Menschen in Chinas freier und fairer Marktwirtschaft. Ebenso vermag eine befreite Marktwirtschaft auch im Westen die ehemals positiven Entwicklungen wiederzubeleben – sowohl bei jedem Individuum wie auch in der Gesellschaft insgesamt. Es entsteht ein Milieu, in welchem der untertänige “Agentic State” nach und nach abgestreift wird, um Selbstachtung sowie gegenseitigem Respekt und Wohlwollen Platz zu machen.
Einerseits stellt dieses integrierende mentale Profil emanzipierter Menschen einen Gegenentwurf zur kapitalistischen Dominanzsucht und Gier nach Extravorteilen (die stets zu Lasten anderer gehen) dar. Andererseits harmoniert es mit dem Konzept des moderaten Patriotismus, in welchem Gesellschaftsmitglieder eine positive und faire Einstellung zueinander entwickeln.
Karl Marx hatte zum Ausdruck gebracht, dass es nach der Überwindung des Kapitalismus ein weiter Evolutionsweg bis hin zu einer idealen Gesellschaft sein würde. Über die Art und Weise, wie Menschen in dieser miteinander leben und umgehen, finden sich in seinen Werken nur relativ wenige Angaben, darunter aber ein klares Bekenntnis zu einer Reduktion des Staates auf seine Grundfunktionen und eine dementsprechende Begrenzung der Autorität seiner Repräsentanten. Genauer äußert sich Marx zum Arbeitsleben. Dabei geht er realistisch von einer zukünftigen Situation optimierter materieller Absicherung und einem entsprechend verringerten Druck aus, seinen Lebensunterhalt mit unangenehmen Arbeiten bestreiten zu müssen. Arbeit würde sich dadurch mehr zu einer von hoher Motivation begleiteten kreativen Betätigung wandeln: „Gesetzt wir hätten als Menschen, produziert: …Ich hätte 1. in meiner Produktion meine Individualität, ihre Eigentümlichkeit vergegenständlicht und daher sowohl während der Tätigkeit eine individuelle Lebensäußerung genossen, als im Anschauen des Gegenstandes die individuelle Freude, meine Persönlichkeit als gegenständliche, sinnlich anschaubare und darum über allen Zweifel erhabene Macht zu wissen. 2. In deinem Genuß oder deinem Gebrauch meines Produkts hätte ich unmittelbar den Genuss, sowohl des Bewusstseins, in meiner Arbeit ein menschliches Bedürfnis befriedigt, also das menschliche Wesen vergegenständlicht und daher dem Bedürfnis eines anderen menschlichen Wesens seinen entsprechenden Gegenstand verschafft zu haben” / Karl Marx: Historisch-ökonomische Studien (Pariser Hefte), Auszüge aus James Mills Buch „Élémens d’économie politique, MEW Bd. 40 Ergänzungsband I, S. 465-466
Es ist psychologisch interessant, dass das in der marxschen Episode gefertigte Produkt nicht für den Eigenbedarf bestimmt ist, sondern für Mitmenschen, denen man damit etwas für sie Nützliches zur Verfügung stellen kann. – In ebendieser Situation befindet sich allerdings auch ein Unternehmer, der motiviert an der Verbesserung eines Produkts arbeitet, und dabei den Nutzwert für den Kunden im Auge hat, zu welchem beispielsweise auch Haltbarkeit gehört. Wer – mit den Worten von Marx – als (verantwortungsbewusster und solidarischer) Mensch produziert, benötigt keine aufwendige Werbung, ihm reichen ein guter Ruf und eine Weiterempfehlung.
Kapitalisten und viele Investoren sehen dagegen allein den eigenen Profit, den sie bedenkenlos auch dadurch zu steigern trachten, dass Etikettierung und Werbeversprechen Produkteigenschaften suggerieren, die nicht den tatsächlichen entsprechen. Beispielsweise enthielt ein als Hühnersuppe etikettiertes Lebensmittel laut Laboruntersuchung nur 3% Hühnerfleisch, was vor dem Konsumenten aber durch einen geschickten Mix aus Füll- und Aromastoffen verborgen gehalten wurde. Das Gesundheitswesen und die Lebensmittelindustrie sind Bereiche, in welchem die Prinzipien Transparenz, Vertrauen und Verantwortung eines besonderen Schutzes bedürfen, welchen der Staat durch klare und durchdachte gesetzliche Regelungen zu gewährleisten hat.
Der im marxschen Text anklingende betont, stressfreie Arbeitsstil in der weiteren Zukunft ist realistisch, indem die vom Kapitalismus befreite zivilisierte Gesellschaft nicht zuletzt durch Absenkung des Stresspegels ihre international führende technologische Position festigen kann. Denn eine entspannte Atmosphäre stellt eine der Voraussetzungen für einen "Autonomous State” dar, der seinerseits der Kreativität und dem Verstand freie Bahn verschafft. In einem bayerischen Sprichwort heißt es treffend, “in der Ruhe steckt die Kraft”.
Im o.g. Zitat transportiert Marx auch die Vorstellung von einer zukünftig reduzierten Bedeutung des Privateigentums. Setzt man realistischer Weise eine zukünftige Gesellschaft mit langfristig konstanter Mitgliederzahl (siehe Kapitel B 1.) bei fortgesetztem qualitativem Wirtschaftswachstum voraus, wird materielle Knappheit als objektives Phänomen verschwinden. Das bedeutet, dass sie als subjektive Erscheinung, also als gespürtes Bedürfnis nach Aneignung von immer weiteren materiellen Gütern, gleichfalls allmählich an Bedeutung verlieren wird. Namentlich unstillbare Gier, die nie genug bekommt, taugt in einem Milieu allseits wachsenden Wohlstandes bei gleichzeitigen Obergrenzen für vererbbare Vermögen immer weniger als Lebensmaxime. Die Menschen kommen der von Marx projizierten zukünftigen Wahrnehmung von Arbeit und Eigentum damit ganz automatisch näher – entspannt und immer weiter entfernt von irgendeinem leninistischen Gedanken an Enteignung und gewaltsame Umverteilung. Eigentliche Vermögenswerte wie Immobilien, Aktien usw. werden ihre Bedeutung schon deshalb behalten, weil die Wohnung als individuelles Familienterritorium unverzichtbar ist und weil Vermögenswerte generell in Kreativitätsmittel getauschtwerden und also zum Aufbau einer selbständigen Existenz genutzt werden können.
An den bevorstehenden Systemwechsel schließt sich eine langfristige Evolution der solidarischen Nation zu einer freien Assoziation an, indem die in den „Autonomous State“ geschalteten Menschen ihre Gesellschaft zwar nach wie vor als Nation mit gemeinsamer Geschichte und bestimmten kulturellen Merkmalen wahrnehmen, in zunehmendem Maße aber als eine Wertegemeinschaft (siehe Profil der freien Assoziation in Kapitel A 24.). Zu den ethischen Werten der Assoziation gehören die freie individuelle Entfaltungsmöglichkeit und der Ersatz von jeglicher Gewaltausübung durch das rationale Argument. Die freie Assoziation stellt damit das Gegenenkonzept zum überbürokratisierten Staat dar, der mit seiner staatsdirigistischen Vorschriftenflut die Entfaltungsfreiheit selbständiger Existenzen einengt. Sowohl die amerikanischen Gründerväter, als auch Ayn Rand und Karl Marx haben die weitgehende Reduktion des Staatsapparates auf seine notwendigen Grundfunktionen als Voraussetzung wirklicher Freiheit erkannt – siehe auch A. Rand- und T. Jefferson-Zitate im Kapitel A 26. Marx bemerkte, „Freier Staat - was ist das? (...) Die Freiheit besteht darin, den Staat aus einem der Gesellschaft übergeordneten in ein ihr durchaus untergeordnetes Organ zu verwandeln.“ / Karl Marx: Kritik des Gothaer Programms, 1875, MEW 19, S. 27
Wie Marx richtig überlegt hat, kann ein verändertes Gesellschaftsmodell, so auch eines mit reduzierter Macht des Staates, einer dafür noch nicht reifen Bevölkerung nicht einfach übergestülpt werden (wie es im Leninismus praktiziert wurde). Vielmehr muss sich erst ein Emanzipationsprozess der idividuellen Menschen vollziehen, in welchem unter Umschaltung in den selbstverantwortlichen Modus schrittweise ein klares Bewusstsein von der tatsächlichen Lage der Gesellschaft entsteht. Nach Jahrzehnten der mentalen Niederhaltung durch die falsche „Political Correctness“ befinden sich die meisten „westlichen“ Bürger jedoch in einem „Agentic State“. Für ein Überwechseln in den „Autonomous State“ und Erlangung des besagten Bewusstseins benötigen sie Hilfestellung. Vor allem Politikern und Journalisten kommt die Aufgabe zu, den einfachen Bürgern die ungefilterte Wirklichkeit erklärend zu vermitteln.
In diesem sich klärenden Bewusstsein, sind die Bürger motiviert und in der Lage, eine rationale, umsichtige, allseits faire Reform staatlicher Strukturen und Funktionsprinzipien demokratisch mitzutragen. Die demnächst von Vorschriften, Überbesteuerung und anderen kontraproduktiven Staatseinfüssen befreite Marktwirtschaft wird der kreativen Entfaltung wieder Raum geben. Doch noch wichtiger als die wirtschaftlichen Perspektiven sind die der persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Motivation, Talente und Fachkenntnisse, die aktuell brachliegen, werden wieder nutzbar und die über Jahrzehnte ertragene Medienhysterie über angebliche Monster und Schurkenstaaten macht einem sachlichen, kritischen, neugierig-investigativen und entspannten Journalismus Platz. Psychologisch entsteht in dieser neuen Atmosphäre ein befreites Lebensgefühl, eines aus Aufbruchstimmung und Optimismus, so wie seit den 1950er und frühen 1960er Jahren nicht mehr. Die wiedergewonnene Selbstachtung und eine geschärfte Wachsamkeit gegen (fremde und eigene) Hypokrisie gestatten eine unkompliziertere, offenere und verständnisvollere Kommunikationsatmosphäre. Unter der zwingenden Voraussetzung, dass die im vorigen Kapitel angesprochenen Maßnahmen zur dauerhaften Stabilisierung der Freiheit lebendig gehalten werden, bleibt das positive Milieu nachhaltig bestehen und mit ihm eine Weiterentwicklung der Menschen zum Guten.
Vordergründig betrachtet führt diese Entwicklung zum abschließenden Sieg des Guten über das Böse. Genauer handelt es sich jedoch um den Eintritt in einen Siegeslauf des Guten, welcher nie enden darf, denn der Status der Menschen als zugleich ihre eigenen wichtigsten Kooperationspartner und einzigen Wettbewerber ist und bleibt ein ökologisch unauflösbarer Widerspruch und damit eine nie endende Herausforderung. Die grosse Chance besteht jedoch darin, dass sich jeder Mensch ändern kann. Deshalb entspricht es einer rückständigen Wahrnehmung, “das Böse” an Personen festzumachen und diese zu “Monstern” zu erklären. Die Verinnerlichung dieser Zusammenhänge ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil sich keine Gesellschaft ohne die rationale Klärung des Bewusstseins ihrer individuellen Mitglieder weiterentwickeln kann. Jede unaufgeklärte, rückständige Gesellschaft aber bleibt der ständigen Gefahr ausgesetzt, sich auf tribalistische Irrwege locken zu lassen, die von friedlichen, fairen und nachhaltigen Lösungen wegführen. - Diese Einsicht ist ganz besonders allen anthropophilen Organisationen, Verbänden und Gemeinschaften wie Freimaurerlogen und christlichen Kirchen ans Herz zu legen, bei denen eine ideologisch übersimplifizierte Sicht auf das menschliche Individuum weit verbreitet ist. In dieser Wahrnehmung ist jeder Mensch prinzipiell durch jeden beliebigen anderen ersetzbar und damit auch jede (aufgeklärte und freiheitsliebende) Population durch eine beliebige andere (rückständige und unterordnungsgewohnte). Die Kapitalisten unterstützen diese die freien Entwicklungsmöglichkeiten erstickende Ideologie einer missverstandenen Gleichheit, weil diese ihnen die abhängigen Untertanen zu liefern verspricht, die sie glauben dauerhaft beherrschen zu können. Die hochzivilisierten Nationen können ihrer Verantwortung zur Höherentwicklung der Organisationsformen des Zusammenlebens nicht dadurch gerecht werden, dass sie diese in die dafür noch weniger qualifizierten Hände anwachsender Parallelgesellschaften abgeben.