Im Kontext der Spannungen zwischen den USA und China spielt das große Elektronikunternehmen Huawei eine besondere Rolle. In Kapitel A 30. wurde festgestellt: “Die genannten Sanktionen gegen Huawei funktionierten in einer bemerkenswert konzertierten Aktion unter Beteiligung von “westlichen” Regierungen, Telefongesellschaften und Internet-Suchmaschinen Betreibern – eine schon für sich gesehen eindrucksvolle Demonstration der globalen Macht der Achse zwischen Kapital und “westlichen” Staaten und damit ein kleiner Vorgeschmack auf eine imperialistische “Neue Weltordnung”. Die Massnahmen umfassen massive Diskriminierung beim Zugang zu Märkten, welche dem Prinzip des freien Welthandels diametral widersprechen - das andererseits von den Kapitalisten für die eigenen Konzerne vehement eingefordert wird”.
Die wahren Motive hinter den vorgeschobenen Begründungen liegen jedoch im gänzlich unkapitalistischen Profil von Huawei: Das 1987 als Mini-Startup von Ren Zhengfei (*1944) in Shenzhen gegründete Unternehmen hatte 2019 bereits einen Substanzwert (total Assets) von 123 Milliarden Dollar und ist weltweit größter Hersteller von Netzwerkkomponenten sowie seit 2020 auch von Smartphones - trotz der Diskriminierungen.
Allein wegen seines steilen Aufstiegs ist Huawei ein beargwöhnter Wettbewerber der etablierten “westlichen” Konzerne, darunter auch derjenigen, denen jahrzehntelange Kooperation mit dem Spionagesystem im Umkreis der NSA unterstellt werden kann, indem diese die Antwort auf die Frage schuldig bleiben, weshalb so manche ihrer elektronischen Module, Computerkomponenten und Geräte technisch nicht etwa gegen Spionage geschützt sind, sondern zumindest teilweise dafür die Türen weit geöffnet halten. Huawei ausgerechnet auf dieser Ebene anzugreifen ist damit ein weiteres Beispiel für das bekannte Antikonzept aus Hypokrisie, Vorwänden und unbewiesenen, aber hartnäckigen Behauptungen. “German and British intelligence agencies have pushed back against the US' allegations,… Additionally, the head of Britain's National Cyber Security Centre (the information security arm of GCHQ) stated that the US has not managed to provide the UK with any proof of its allegations against Huawei”. – Deutsche und britische Geheimdienste haben US-amerikanische Behauptungen zurückgewiesen;… Außerdem gab der Leiter des britischen National Cyber Security Centre (der Informationssicherheits-Abteilung des GCHQ/ britischen Geheimdienstes) eine Erklärung ab, dass die USA nicht in der Lage gewesen wären, dem Vereinigten Königreich irgendwelche Beweise für ihre Anschuldigungen gegen Huawei vorzulegen. / https://en.wikipedia.org/wiki/Huawei#cite_note-RCR-84.
Die entscheidenden Motive für die konzertierten Maßnahmen gegen das chinesische Unternehmen sind jedoch grundsätzlicher, nämlich weltanschaulicher Natur. Bei einem Vergleich entpuppt sich Huawei nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Größe als das diametrale Gegenteil eines “westlichen” internationalen Konzerns:
- Gründer Ren Zhengfei ist kein Investor, sondern ein kreativer Unternehmer mit fundierten Fachkenntnissen und eigener erfolgreicher Managementstrategie, der die Firma bis heute als CEO leitet.
- Die Entwicklungsstrategie besteht nicht im Aufkaufen fremder Ideen durch Erwerb kreativer Startups, sondern in der weltweiten Gründung von zunächst kleinen R & Ds, Research & Development Centers – Forschungs- und Entwicklungszentren.
- Das kontinuierliche Wachstum erfolgt nicht durch Zusammenkaufen von diversen Tochterfirmen, sondern durch Optimierung des Kerngeschäfts mittels Innovation, Qualitätssteigerung und Kostensenkung. “We always focus all of our energy on this same single point. Every year we invest more than 20 billion US dollars in it”. / Arjun Kharpal, CNBC Transcript: Ren Zhengfei, Huawei Founder and CEO, CNBC Interview, APR 14 2019
- Die Innovationskraft wächst rasant, abzulesen u.a. an den internationalen Patentanmeldungen, bei denen das Unternehmen seit 2014 weltweit den ersten Platz belegt - inzwischen mit weitem Abstand zu allen anderen.
- Der Firmengründer hält nur noch 1 % der Aktien, während sich 99 % im Besitz von Angestellten befinden. Huawei-Aktien können nicht an der Börse erworben werden.
In “westlichen” Medien wird das Eigentumskonzept schlechtgeredet. Namentlich wird kritisiert, dass ausscheidende Mitarbeiter ihre Anteile gegen Abfindung wieder zurückgeben müssen - während sich aber nur auf diese Weise verhindern lässt, dass die tatsächlich Beschäftigten schon mittelfristig ihre Aktienmehrheit zugunsten externer Investoren verlieren – ein wegweisendes Konzept. Das kapitalistische Motiv hinter solcher Kritik ist klar – bei diesem völlig andersartigen Konzern fehlt jede Zugriffsmöglichkeit für Investoren und Spekulanten – womit er als potenzieller Teil ihres Imperiums absolut ausscheidet.
Im Gegenteil liefert Huawei wie auch viele andere chinesische Unternehmen den Beweis dafür, dass ein Großbetrieb, der im fairen marktwirtschaftlichen Wettbewerb auf Konzerngröße herangewachsen ist, seine Erfolge nicht (wie manche kapitalisten beherrschten Konzerne) überhöhten Oligopolpreisen zu verdanken hat, sondern einem besseren Preis-Leistungsverhältnis am fairen Markt. In einem tatsächlich freien Welthandel sind solche Unternehmen überlegen - daher rühren die kapitalistischen Anstrengungen, auch auf der internationalen Ebene, ein unfaires, marktwidriges Umfeld zum einseitigen Vorteil ihrer etablierten Konzerne einzurichten - wie immer mit Hilfe staatlicher Eingriffe.
Die beabsichtigte Abschirmung des Weltmarkts von Huawei-Produkten hat allerdings noch weitere grundsätzliche Hintergründe. Computer chinesischer Produktion werden nach wie vor mit amerikanischen Motherboards bestückt und sind daher, ebenso wie alle “westlichen” Modelle, nicht wirklich gegen NSA-Spionage gesichert. Wenn jedoch in einigen Jahren Boards aus eigener Entwicklung und Herstellung verbaut werden, ist dreierlei klar – sie werden billiger, sehr bald auch technisch überlegen und drittens nicht ohne Weiteres durch NSA-Überwachungstechnik ausspionierbar sein. Das ergibt drei kaum schlagbare Verkaufsargumente, in deren Folge eine weltweite Verbreitung solcher Geräte unmittelbar verbesserte Möglichkeiten verspricht, sich der Überwachung durch Big Brother zumindest teilweise zu entziehen. – Die Angstmache vor chinesischer Überwachung und Datenmanipulation in den “westlichen” Medien entpuppt sich damit als Vorwand sowie als erneutes Beispiel für Hypokrisie: Den gutgläubigen amerikanischen und überhaupt “westlichen” Bürgern wird ein irreales Szenario suggeriert, in welchem die amerikanischen Elektronik- und Softwarekonzerne sowie die amerikanischen Behörden und Einrichtungen, denen die nationale Sicherheit anvertraut ist, (dieses) Vertrauen vorbehaltlos verdient hätten. Dabei kann deren ungenügende Vertrauenswürdigkeit als bewiesen gelten, während “den Chinesen” zwar zu Recht vergangene umfangreiche Industriespionage vorgeworfen werden kann, aber keine politischen Eingriffe und keine Anfertigung von Personenlisten nach Gesinnungsprofil.
Zwar ist der Huawei-Unternehmensgründer Ren Zhengfei ein unpolitischer Mensch, doch geben sein weltanschauliches Profil und die Unternehmenskultur Huaweis den Geldmagnaten Anlass zu einer feindlichen Haltung. Die Namensgebung - Huawei bedeutet “China is able” - China kann es – und bringt Patriotismus zum Ausdruck. Dieser harmoniert bestens mit der positiven Weltzugewandtheit, welche sich auch in der wachsenden Zahl von Forschungs- und Entwicklungszentren in aller Welt ausdrückt. Umgekehrt belegt das Zurückfallen des Westens in seiner Entwicklungsdynamik immer deutlicher die ungeheure Bremswirkung des Kapitalismus auf die Reste der fairen Marktwirtschaft.