Im letzten Kapitel wurde deutlich, dass die Herrschaft des Kapitalismus sich weithin psychologische Schwachstellen der Menschen zunutze macht, namentlich die leichte Überführbarkeit in einen unfreien „Agentic State“. Die Existenz dieser unselbständigen Verhaltensdisposition ist allerdings ihrerseits erklärungsbedürftig. Am wenigsten kann die Erklärung im heutigen demokratischen Umfeld liegen, in welchem alle legitime Macht von den emanzipierten, selbstverantwortlichen Staatsbürgern ausgeht – wie die Präambel der amerikanischen Verfassung herausstellt. Der Widerspruch zu den äußerst bedrückenden Beobachtungen Stanley Milgrams, in deren Spiegel sich die Bürger als manipulierbare Untertanen erkennen müssen, hat folglich andere, tiefer sitzende und weiter zurückliegende Ursprünge.
Es ist gelegentlich sehr aufschlussreich, aber - offensichtlich gerade aus diesem Grund - politisch absolut unerwünscht, die Soziologie des Menschen aus der Sicht seiner Evolutionsbiologie zu betrachten - ein guter Grund mehr, diese Perspektive einmal auf ihre Tauglichkeit zu testen, plausible Erklärungen zu liefern.
Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass sich die komplette vormenschliche Evolution (Gattung Australopithecus, erstmals vor etwa 4,5 Mio. Jahren aufgetreten) in den offenen Savannen Afrikas Abgespielt hat. Dasselbe gilt für den grösseren Teil der Evolution der menschlichen Gattung Homo, innerhalb welcher Homo ergaster (erstmals vor 1,9 Mio Jahren) den ältesten direkten Vorfahren des heutigen Homo sapiens repräsentiert. Anhand der Knochen-, Schädel- und Werkzeugfunde (u. a. erste Handäxte) kann man auf die Lebensweise schließen. Diese Frühmenschen lebten als nomadische Jäger und Sammler in kleinen Horden von schätzungsweise 20 bis 60 Mitgliedern. Für die Jagd und zur Verteidigung fertigten sie bereits effiziente Waffen an. Doch nur ein koordiniertes Vorgehen in der Gruppe konnte die Abwehr von Raubtieren gewährleisten sowie hinreichende Chancen bei der Jagd auf die schnellere vierbeinige Beute eröffnen.
Klar ist, dass damals niemand alleine überlebensfähig war, zum Leben in der Gruppe existierte keine Alternative. Umgekehrt konnte auch eine ganze Horde nicht überleben, wenn die interne Zusammenarbeit nicht reibungslos funktionierte. Als psychosoziales Erbe aus dieser Zeit teilen heutige Menschen aller Kulturen u.a. drei Grundmerkmale ihres Sozialverhaltens, welche in der Savanne absolut überlebensnotwendig waren - erstens das Bedürfnis, sich einer Gruppe anzuschliessen und darin harmonisch zu kooperieren, zweitens die Neigung, sich gegenseitig hinsichtlich eines korrekten Verhaltens zu kontrollieren und drittens eine Urangst. Dieses Gegenstück zum Urvertrauen des Babys ist die tiefsitzende Furcht, aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden, nicht dazuzugehören.
Verglichen mit den Mio. von Jahren in den Savannen stand der Menschheit jedoch nur sehr wenig Evolutionszeit zur Verfügung, um sich an die besonderen Bedingungen der Zivilisation anzupassen, denn erst vor rund 9.000 Jahren traten erste Ackerbaukulturen auf. In der Folge wurde die Bevölkerung nach und nach sesshaft und ihre Zahl stieg aufgrund des nun wesentlich grösseren Nahrungsangebots. Indem zentrale Marktplätze fûr den Warentausch entstanden und sich immer mehr handwerkliche Spezialrichtungen ausbildeten, kam es vor etwa 7.000 Jahren zur Entstehung erster Städte.
Soziologisch war dies ein entscheidender Wendepunkt – zum Besseren wie zum Schlechteren. Das soziale Umfeld in den sich entfaltenden Städten war und ist durch gehäufte Kontakte mit anderen Menschen gekennzeichnet, was einen regen Gedanken- und Ideenaustausch mit Impulswirkung für die Zivilisation mit sich bringt. Allerdings finden seither viele der Alltags-Kontakte mit untereinander nur oberflächlich bekannten oder unbekannten Personen statt. Gegenüber den in überschaubaren Kleingruppen lebenden frühen Menschen ist die Möglichkeit einer gegenseitigen Kontrolle des sozialverträglichen Verhaltens in einer Stadtkultur deutlich eingeschränkt.
Seither bilden in den anonymen Gesellschaften der Städte nicht mehr die natürlichen Bedingungen von Landschaft, Klima, Vegetation und Beutetieren, sondern die vielen und sehr verschiedenen Mitmenschen die ausschlaggebenden Umweltbedingungen, an welche Menschen sich anzupassen haben - insbesondere in Hinblick auf ein auskömmliches und kooperativen Miteinander. Die Anpassung betrifft folglich auch in erster Linie Gehirnleistungen, namentlich solche, die als Verhaltens Neigungen nach außen in Erscheinung treten:
Das autonome (= vegetative) Nervensystem muss dem - verglichen mit dem früheren Jäger- und Sammler-Dasein - höheren Pegel an Information Eingängen angepasst werden. U.a. haben es extrovertierte Menschen mit höherer Stressresistenz leichter, mit den Folgen hoher Wohndichten klarzukommen als sensible. Weitgehend unbeachtet und unkommentiert verzeichnet man alleine in Deutschland rund 10.000 Selbstmordfälle jährlich - und ca. 1 Mio. weltweit.
Die teilweise Anonymität lässt es zu, dass auch Verschlagenheit, Intrigantentum, Heuchelei und überhaupt Unehrlichkeit eine Grundlage für erfolgreiche Lebensmodelle darstellen können, z.B. als Dieb, Hehler, Erbschleicher, bestechlicher Beamter oder Betrüger.
Indem in den frühen Städten für die Verteidigung viele Leute beisammen waren, boten sie Sicherheit gegenüber äußeren Feinden. Allerdings stellte die militärische Koordination von vielen untereinander meistens unbekannten Männern eine große Herausforderung dar. Im Ergebnis setzte sich eine straffe hierarchische Befehlsstruktur mit Machtakkumulation an der Spitze durch – weltweit.
Nachdem die gegenseitige Kontrolle eines sozial korrekten Verhaltens in der städtischen Anonymität nur noch eingeschränkt funktionierte, musste nach Ausgleich gesucht werden. Unter anderem wurde die Formulierung von Gesetzen notwendig und es mussten Personen mit der Durchsetzung dieser Gesetze betraut werden (v. a. Richter und Ordnungskräfte), denen dafür Autorität zu übertragen war.
Eine personelle Zusammenfassung der militärischen Führung mit der zivilen war naheliegend, denn es ging schlicht um die Verwirklichung des Prinzips „Macht“. Macht aber gehört zu den Erscheinungen, welchen eine erhebliche Tendenz zur Selbstverstärkung im Sinne eines Zirkelkreises innewohnt. Wer bereits Macht hat, kann sie dazu benutzen, um noch weitere dazuzugewinnen – zu Lasten der übrigen Bürger, welche zu abhängigen Untertanen werden.
Macht hat stets das Druckmittel der physischen Gewalt zur Hand, deren tatsächlicher Einsatz aber meistens auf Fälle von Widerstand begrenzt bleibt. Zur dauerhaften Machtsicherung werden Einrichtungen wie Ministerien, Behörden und ein Rechtsapparat etabliert, deren Spitzenpositionen mit obrigkeits loyalen Personen besetzt werden. Dieser institutionelle Herrschaftsapparat dient - mit einem Begriff von Johan Galtung (*1930) - der Ausübung struktureller Gewalt, indem beispielsweise Steuern eingetrieben werden. Zusätzlich zu diesen beiden nach außen sichtbaren Formen der Gewalt existiert noch ein dezent auf psychologischer Ebene wirkendes Machtinstrument, nämlich die Oberhoheit über die Philosophie. Diese gleichfalls von Johan Galtung - mit dem Begriff kulturelle Gewalt - benannte Form der Machtausübung liefert den Herrschenden in moralischer Verpackung die „Rechtfertigung“ ihrer Machtausübung mittels struktureller und „notfalls“ physischer Gewaltanwendung. / Johan Galtung 1998, S. 41
Die Oberschicht bildet einen geschlossenen Zirkel, eine Kaste oder Klasse, in welchen außenstehende Personen nur ausnahmsweise aufgenommen werden.
Der Blick in die Geschichtsbücher zeigt eine auffallende Häufung narzisstischer Charakterzüge in der Oberschicht, erweitert um physische Bequemlichkeit:
Abneigung gegen die eigene Arbeit zur Daseinsvorsorge.
Große Sensibilität hinsichtlich der Befindlichkeit und möglichen Gefährdung (Umsturz) der eigenen Person
Mangelnde Empathie – spärliche Sensibilität hinsichtlich des Befindens anderer Menschen bis hin zur empathie freien Skrupellosigkeit
damit verbunden eingeschränkte bis fehlende Fähigkeit zu echter Liebe, Freundschaft, Solidarität und Herzlichkeit
Misstrauen und Neid gegenüber auffallend tüchtigen und fähigen Menschen, welche die eigene Rangposition gefährden könnten
damit verbunden das Unvermögen bzw. die fehlende Bereitschaft, Leistung anderer anzuerkennen
Ungebremst selbstbewusstes Auftreten und Überredungsstärke - andere folgen der Sicht des/ der Betreffenden per Suggestion.
Theatralische Begabung, um ein positives Image zu pflegen
Mitmenschen werden generell als Untergebene betrachtet, bei gefestigter Rangposition als Eigentum.
Aus der geringschätzigen Sicht auf Mitmenschen (laut 8.3, 8.4, 8.5, 8.6 und 8.9) und der fehlenden Bereitschaft, echte Leistung in die eigene Daseinsvorsorge zu investieren (laut 8.1), resultiert eine ausgeprägte Tendenz, sich bedienen und überhaupt andere für sich arbeiten zu lassen - ohne die frei gewordene eigene Zeit für andere konstruktive Tätigkeiten einzusetzen.
Unterentwickelte Bereitschaft, Verantwortung für die Resultate der eigenen Machtausübung zu tragen – ein Widerspruch in sich
Doch keineswegs alle Menschen, die zu Rang und Reichtum gelangt sind, entwickeln einen solchen unproduktiven Lebensstil nach 8.10, sondern wenden sich kreativen Betätigungen zu. So gab bzw. gibt es hervorragende Wissenschaftler (z.B. den großen Chemiker Lavoisier), welche ohne die Rückendeckung durch ihr Vermögen nicht die nötige Zeit und Ausrüstung für ihre großen Entdeckungen gehabt hätten.
Tritt dagegen die erwähnte Ausbeutergesinnung entsprechend der Auflistung 8.1 bis 8.11 zu Tage, bildet sie den konsequenten Ausdruck einer auf unsolidarischer Beherrschung anderer Menschen ausgerichteten, parasitären Oberschichten Mentalität.
Die Geschichte ist voll von Beispielen solcher Unterdrücker, die für ihren Machterhalt auf Gewalt setzen und die einfachen Bürger skrupellos für sich arbeiten und kämpfen ließen. Ein Beispiel für solche unsolidarische Gesinnung entsprechend den Punkten 8.9 und 8.10 der Auflistung war die Vermietung von Soldaten durch deutsche Landesfürsten an Großbritannien im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1775 bis 1783.
Eine analytisch-synthetische Betrachtung ergibt: Ausgangspunkt ist (laut 8.1) die mangelnde Bereitschaft, seine Dinge selbst zu verrichten oder gewonnene freie Zeit für andere produktive Tätigkeiten zu verwenden. Die hinzutretende Neigung, die in Anspruch genommene fremde Leistung unfair niedrig, also ausbeuterisch zu entlohnen, ergibt sich daraus, dass für solche (laut 8.6) keine Anerkennung und Wertschätzung empfunden wird. Ganz im Gegenteil würde faire Entlohnung dem vorrangigen Ziel zuwiderlaufen, die anderen Menschen (laut 8.8) in der Position als Untergebene zu halten, damit sie – namentlich besonders Tüchtige (laut 8.5) - unter keinen Umständen (laut 8.2) jemals die eigene Rangposition gefährden können.
Ganz anders wird in der Unter- und Mittelschicht die Bereitschaft zur Unterordnung und Anpassung der sich bewährenden und daher kennzeichnenden Eigenschaft.
Loyalität, Anpassungsbereitschaft, Unterwürfigkeit
Geringer Mut, geringe Zivilcourage
keine Neigung zum Widerspruch, keine Auflehnung
Bereitschaft zur Verinnerlichung der herrschenden Moral/ Philosophie
Neid auf Wohlhabendere – jedoch nur unterhalb der Herrscherklasse
Handwerkliche oder künstlerische Begabung, feinmotorisches Geschick
Technisches Verständnis Genügsamkeit und Fleiss
Wenn man die beiden Profile unter 8.1 bis 8.11 und 9.1 bis 9.8 miteinander vergleicht, existieren fast keine Überschneidungen, es liegen im Gegenteil zwei weitgehend - idealtypisch gesehen -grundverschiedene Persönlichkeitsstrukturen vor.
Das Prinzip „Macht“ hat die Menschen in Klassen eingeteilt, die sich seither teilweise getrennt entwickeln. Wie die Auflistungen 8.1 bis 8.11 und 9.1 bis 9.8 zeigen, behaupten sich seither in der Oberschicht gänzlich andere Verhaltens-Neigungen als in der Mittel- und Unterschicht. Auf etwas längere Sicht sind das exakt die Bedingungen, unter denen sich eine Aufspaltung der Spezies Mensch angebahnt hätte. Die noch bis ins 18. Jahrhundert gültigen Heiratsschranken zwischen dem Adel und den einfachen Bürgern kann man durchaus als einen ersten Schritt in diese Richtung ansehen.
Doch hatte die Evolution das Dilemma der unterschiedlichen Verhaltensanforderungen je nach Rangposition längst unauffällig ganz anders gelöst: Es hat sich eine Flexibilität, gewissermaßen eine Umschaltbarkeit des Charakters, durchgesetzt – wer es nach oben schafft, entwickelt oft die gesamte Palette der in der Auflistung 8.1 bis 8.11 zu findenden Verhaltensweisen oder wenigstens Teile davon. Dieselbe Person in niedrigerer Position folgt dagegen tendenziell dem Verhaltensmuster nach Auflistung 9.1 bis 9.8. In der häufigen mittleren Rangposition bedeutet dies, gegenüber einer höhergestellten Person ein anderes Verhaltensprofil zu zeigen als gegenüber untergebenen.
Umgangssprachlich ist das Phänomen als „Radfahrermentalität“ bekannt, „nach oben buckeln, nach unten treten“. Diese Redensweise entspricht zwar korrekter Beobachtung, ist aber unangemessen verächtlich, denn für das Problem einer notwendigen Anpassung an verschiedene Rangposition und Entfaltungsmöglichkeiten bestehen kaum Alternativen.
Wie jeder „faule Kompromiss“ zeigt die Radfahrermentalität allerdings erhebliche Schwachstellen und erweist sich bei näherem Hinsehen als nur vorläufiges Evolutionsergebenis, als eine Notlösung. - Dass die gesellschaftlichen Interaktionen der sehr verschiedenen und keineswegs immer positiven Impulsen folgender Individuen nur sehr eingeschränkt funktionieren können, hatte auch Friedrich Engels, politischer Weggefährte von Karl Marx, erkannt. „Denn was jeder einzelne will, wird von jedem anderen verhindert, und was herauskommt, ist etwas, das keiner gewollt hat. So verläuft die bisherige Geschichte nach Art eines Naturprozesses und ist auch wesentlich denselben Bewegungsgesetzen unterworfen. F. Engels: Brief an J. Bloch vom 21./22. 9. 1890, MEW Bd. 37, S. 463f.
Was gemeint ist, lässt sich anhand der Auflistungen 8.1 bis 8.11 und 9.1 bis 9.8 aufzeigen. Der einzige substanzielle Überschneidungspunkt zwischen diesen beiden ist der Neid (8.5 und 9.5.) – der auch in beiden Fällen dieselbe Zielgruppe trifft, nämlich die der Personen mit besonderem Talent. Aus Sicht der untergebenen Schichten (Persönlichkeitsprofil 9.1 bis 9.8) sind das diejenigen, die sich in den Mittelstand Hocharbeiten konnten und von vielen der weniger Erfolgreichen beneidet werden. Vom Kreis der Machthaber (Persönlichkeitsprofil 8.1 bis 8.11) aus werden die Talentierten sogar als Bedrohung ihrer Position betrachtet.
„...: it is a psychological confession projecting the enormity of that envy and hatred for the man of ability which are the root of all altruistic theories.“ - ...: Es ist ein psychologisches Bekenntnis, das den gewaltigen Umfang des Neides und Hasses auf den fähigen Menschen projiziert/ aufzeigt, welche die Wurzel aller altruistischen* Theorien darstellen. Ayn Rand, Philosophy: Who Needs It, S. 149 – (*korrekt schein altruistisch. Altruistisch zu sein gehört im kapitalistischen Herrschaftsgefüge zu den Zugangsvoraussetzungen zum Establishment. Es bedeutet namentlich, gegenüber Personengruppen außerhalb des europäischen Kulturkreises eine ausgeprägte, von Schuldgefühlen begleitete Appeasement Haltung einzunehmen. Genauere Erläuterungen finden sich im Kapitel B 6.)
Das typische Opfer des Neides und Hasses seitens der Herrschenden wie auch seitens der Untergebenen, ist der von Ayn Rand verteidigte „Man of Ability“ – der befähigte, selbstverantwortliche Mensch, der nur in Freiheit sein volles kreatives Potenzial entfalten kann. Doch Freiheit wird nicht geschenkt – das ist die bittere Lehre aus der Geschichte. Nach der Ablösung des feudalen Adels in der Französischen Revolution und nachfolgenden Bewegungen hatten die Bürger in den entstandenen freien Demokratien geglaubt, dass sie selbst nunmehr die politische Kontrolle über ihre Länder übernommen hätten. Doch stand bereits eine neue Gruppe bereit, um die freigewordene Position einer Oberschicht zu besetzen. Die Macht dieser Geldaristokratie ist seither beständig angewachsen – verblieb aber bisher in einem inoffiziellen Status im Rahmen der demokratischen Staaten.
Die infolge dieser Machteinflüsse unterdrückte Bürgerschaft ist durch ihren – gar nicht zu einer freien Demokratie passenden - „Agentic State“ charakterisiert, also einen Zustand der Unterwürfigkeit gemäss Profil 9.1 bis 9.8. – Galt es in der Jäger- und Sammlerhorde lediglich, sich in die Gruppe einzufügen, um unter keinen Umständen aus dieser ausgeschlossen zu werden, so besteht seit Aufkommen der Zivilisation zusätzlich die Anforderung, sich in eine Rangordnung einzufügen, also unterzuordnen. Damit jedoch sind die alten tribalistischen, von der Ur-Angst diktierten Verhaltensneigungen nicht etwa überwunden, sondern noch verstärkt worden.
Weil dem Dazugehören nach wie vor ein absoluter Vorrang zukommt – und das ist die positive Seite dieses psychologischen Erbes - kommt es auch im Falle einer Auflehnung gegen Unterdrückung rasch zu einem Dominoeffekt, indem bereits ein leichter Wind der Freiheit von den Menschen sensibel erspürt wird und die erzeugte Aufbruchstimmung absolut ansteckend wirkt. - Das gemeinsame Ausbrechen aus dem „Agentic State“ bildet den Ausgangspunkt für jede rationale und gewaltfreie Auflehnung, weil es zugleich ein Ausbrechen aus der tribalistischen Ur-Angst bedeutet. Der entscheidende Vorteil dieser Angstbefreiung liegt darin, dass die Vernunft dann in vollem Umfang zur Verfügung steht und über die Befreiungsaktion hinaus greifende nachhaltige Konzeptentwicklung ermöglicht. - Der Sturm einer Revolution dagegen tendiert dazu, rationale Ansätze zu konterkarieren – kurz gesagt, den Verstand auszuschalten und die Ereignisse ins Chaos abgleiten zu lassen - siehe Lenins Politik (Kapitel A 19. „Leninismus und Stalinismus“) im Kontrast zu den Gedanken von Martin Luther-King (siehe Kapitel A 26. „Parteien“) und Karl Marx (siehe Kapitel A 34. „Klassenlose Gesellschaft?“) .
Diese rationale Auflehnung vollzieht sich demokratisch und völlig gewaltfrei bei den nächsten Wahlen und zieht den harmonischen Systemübergang nach sich.